Zelten am Tödürge Gölü

Es war Mitte Juli und wir fuhren auf einer schon fast verdächtig flachen Strasse von Sivas Richtung Erzincan. Falls du kurz einen Blick auf die Karte werfen möchtest: Öffne Maps und zoome auf die Türkei. Ganz links siehst du Istanbul, weiter rechts Ankara und noch ein Stück weiter rechts auf der gleichen Höhe findest du Sivas. Diese Strecke wählten wir, weil Domi die Route über Malatya von seiner letzten Reise schon kannte und weil wir in Erzurum das Iran-Visa abholen mussten.

Wieder einmal waren wir zu Dritt unterwegs. Domi, Ich und der Gegenwind. Der letztgenannte performte in seiner Höchstform, während zumindest Ich nicht die aller höchste Motivation verspürte. Die Beine waren vom letzten Ruhetag zwar erholt, aber die Strecke war unspektakulär. Es passierte nichts, die einzige Person, welche wir sahen, war der Karton-Polizist bei einer Tankstelle. Solche Attrappen trafen wir immer wieder an, meistens in Kombi mit einem Sirenen-Blinklicht. Polizisten waren dann schon auch in der Nähe, vermehrt ein bisschen weiter irgendwo am Cay trinken.

Es war früher Nachmittag als ich meine Fahrrad-Klingel betätigte (Zeichen das Domi anhalten soll 😉) und zu ihm sagte: „Hier rechts ist jetzt wohl der Picknick-Platz, wo ich auf der Karte sah“. Wir begutachteten beide den Platz. Es gab eine Wasserstelle, etwa zehn überdachte Tische und ein Fluss. Einige Leute waren am Picknicken und es hatte ausreichend Schatten. Zu all diesen Annehmlichkeiten konnten wir nicht Nein sagen und so entschieden wir uns ausnahmsweise früh Feierabend zu machen.

Wir setzten uns an einer der Tische. Etwas Gedanken verloren tippte ich auf dem Handy rum und öffnete Maps. Eigentlich war mein Motiv zu checken, ob es in der Nähe einen Shop gab, um eine Glace zu kaufen. 😊 „Oh“ sagte ich. In unmittelbarer Nähe befand sich der See namens Tödürge Gölü. Laut denkend fragte Ich Domi ob es sich wohl lohnen würde zum See zu gehen. Er war meiner Meinung und wir fuhren weiter. Also doch kein früher Feierabend. Schon von weitem wusste ich, die Entscheidung hat sich gelohnt. Die intensive blaue Seefarbe umgeben von der sanften Hügellandschaft sah sehr schön aus.

Bevor wir uns um das Thema Schlafplatz kümmerten, machten wir einen Abstecher auf am See gelegenen Holzturm. Mit viel Fantasie war es fast als würden wir einer meiner Lieblings-Plätze im Bernbiet besuchen: Den Chuderhüsi Turm. Selbst mit viel Vorstellungsvermögen blieb mir aber das einzigartige Bergpanorama verwehrt, einzig ein Restaurant war zu sehen.

Weil mein Glace-Gluscht noch nicht verflogen war entschieden wir dort vorbeizuschauen. Kaum angekommen kamen zwei Kinder auf uns zu. Sie wollten von uns ein Bild machen auf dem Steg. Wir dachten: „Nützts nüt, so schadts nüt“ und posierten brav.

Im Rücken ertönte für uns ein bekannter Laut, oder besser gesagt ein Klang in unseren Ohren: „Cay Cay“. Obwohl es sehr heiss war, sagten wir nicht nein zu einem Cay und gesellten uns zu einer lustigen Gruppe. Leider sprach niemand Englisch, tiefgründige Gespräche gestalten sich dann schwierig. So blieb es bei unseren Standarderklärungen: Zuerst machen wir mit den Händen Pantomime als würden wir Velofahren. Anschliessend sagen wir das Wort „Bisiklet“ was Fahrrad auf Türkisch heisst. Danach folgt das Wort „İsviçre“ also Schweiz. Als Antwort kommt dann i.d.R ein: „Ohhhhhhh….. Bisiklet… Ohhhhhh“. Wir führen dann unsere Erklärung noch aus und machen mit dem Finger eine Bewegung als würden wir die Destination wechseln und fügen „Iran“ an. In den meisten Fällen kommt dann die Frage ob wir hungrig sind oder ein zweites Cay folgt. In der Türkei kennt man das Fahrrad-fahren noch nicht sehr lange. Ich vermute das dies auch der Grund ist, weshalb wir meistens auf sehr viel Nettigkeit treffen.

Zügig tranken wir den Tee, weil eigentlich waren wir wegen der Glace da und betraten den Innenraum vom Restaurant. Mein Glace-Truhe-Scanner-Blick stellte rasch fest, dass es hier nichts gab, ausser Tee. Die Aussicht entschädigte aber alles und so machten wir ein erneutes Foto.

Ein bisschen weiter dem See entlang gab es noch ein zweites Restaurant. Um die Sache etwas abzukürzen: Dort gab es nichts ausser Fisch und für den Picknick-Platz hätten wir bezahlen müssen. Weder hatten wir Lust auf Fisch, noch wollten wir auf den Picnik-Platz. So fuhren wir ein Stück zurück, schoben unsere Räder über eine nicht existente Strasse bis wir am Wasser angelangten. Dort sah uns niemand und der Platz war schon fast frech schön. Auf unserer Zelt-Terrasse verschlangen wir Pasta und Erbsli und schliefen für einmal ohne Abendgebet der Moschee ein.

Während ich am nächsten Morgen mein Porridge in mich rein schaufelte, dachte ich mir noch so, die Portion sei richtig übertrieben für das wir heute nicht Velofahren wollte. Der Plan war nämlich Hitch-Hiking zu machen. Ja du hast richtig gelesen, wir wollten ein paar Kilometer nicht Fahrradfahren. Es würde den Rahmen sprengen hier auszuführen, weshalb wir nicht in die Pedale treten wollten also nehmen wir das Mal als Tatsache.

In meiner Vorstellung war das folgendermassen: Wir fahren zurück zur Hauptstrasse wo wir gestern abbogen, schreiben mit Holzkohle auf ein Stück Karton, warten 10min und dann fahren wir mit einem 40-Tönner Lastwagen bis ans Ziel. So viel dazu.

Die Antwort darauf, ob ich mit meiner Vorstellung richtig lag, folgt im nächsten Blog-Beitrag. War ich wieder einmal zu optimistisch? Oder hätte ich noch mehr Porridge essen sollen? Sei gespannt.

Rebi Juli 2022