Salam Iran

In Doğubeyazıt (letzte grössere Stadt vor der iranischen Grenze) verabschiedeten wir die Türkei ehrwürdig mit ein paar Ruhetagen. Diese nutzen wir, um Alltags-Dinge zu erledigen, wie Kleider waschen oder den Bike-Service. Eigentlich wollten wir noch etwas wandern, es blieb aber beim Besuch vom Ishak-Pascha-Palast. Es brauchte die Tage, um uns einerseits mental und anderseits auch organisatorisch auf den Iran vorzubereiten.

Ein Programmpunkt war die Shopping-Tour um für mich lange Kleider einzukaufen. Domi gönnte sich auch noch ein Hemd, um die Arme vor der Sonne zu schützen. Im Kaufhaus war, während mehreren Stunden Stromausfall, was die Auswahl etwas erschwerte. Aber wir wollten ja nicht heikel sein und so kauften wir die Dinge im Dunkeln ein.

Beim Reisen sagt dir niemand was du wann tun sollst. Also warteten wir bis wir uns „bereit fühlten“ um weiterzufahren. Tagwach war früh, dies, um die kühlen Morgenstunden optimal auszunutzen. Auf der Strasse war wenig los an diesem Tag, umso mehr genossen wir die Stille und die Landschaft. Je weiter östlich wir kamen, desto trockener und staubiger wurde es und Bäume sahen wir nur noch selten.

Wir kamen gut vorwärts und nach etwa 30 km erreichten wir eine Kolone mit LKW’s. Wir nutzten den selbsternannten „Fahrrad-Bonus“ und überholten links bis zur ersten Grenz-Station. „Salam“ sagten wir und wurden von zwei Männern gemustert. Die beiden hatten sichtlich nichts zu tun und schauten uns nur an, ohne etwas zu sagen. Zeit haben wir ja schon, aber gerade versauern wollen wir auch nicht, also fragten wir, wo wir hin müssen. Sie zeigten auf eine Gittervoliere für Fussgänger. Wir folgten der Anweisung und stiegen von unseren Rädern.

Während dem Weitergehen überlegte ich mir folgendes: Wahrscheinlich wurden an der Grenze alle Jobs vergeben und da waren die beiden Männer noch übrig. Damit man sie trotzdem beschäftigen konnte wurde dieser Grenz-Bogen gebaut. Haha, auf dem Velo hat man einfach zu viel Zeit, um über solche Dinge nachzudenken. Aber jetzt mal ehrlich: Manchmal wundere ich mich schon über Situationen wo Leute etwas „tun“ wo es gar nichts zu machen gibt. Ein Schild mit „hierlang“ wäre ausreichend gewesen. Und um das Thema abzuschliessen: Erstaunlicherweise funktioniert das System in diesen Ländern auch ohne Dinge wie Stundenkopfleistung und Quadratmeter-Umsatz.

Ein paar Hundertmeter später trafen wir auf einen Mann mit einem Bündel Geld in der Hand. „Change Money.. Change Money.. Miiister.. where are you from?“ Wir schauten uns um. Nachdem wir schon sieben Mal eine Grenze passierten, wunderten wir uns, warum es kein seriöses Exchange-Haus gab – Sowie sonst überall. Domi und Ich spürten einander: Eigentlich hatten wir keine Lust wie beim Monopoly auf der Strasse zu dealen. Als würde der Mann unsere Gedanken lesen konterte er mit dem Fakt, dass er die einzige „Stelle“ sei, wo wir Geld wechseln können.

Aus der Türkei hatten wir noch 145 Lira übrig, was etwa 8 CHF entsprach. Der Mann bot uns dafür viel mehr Iranisches-Geld, als wir gemäss unserer Rechnerei hätten erhalten sollen. Wir waren sehr skeptisch und wussten zu diesem Zeitpunkt schon, dass etwas faul ist. Meine Vermutung war Falschgeld, Domi hingegen glaubte noch ein wenig ans Gute im Menschen. Damit wir etwas lokales Geld hatten machten wir den Tauschhandel. Spätestens als er noch Dollar wechseln wollte winkten wir aber ab. Bisschen über den Tisch ziehen lassen wir uns, aber ganz blöd sind wir auch wieder nicht.

Mit einer Million Rial in der Tasche betraten wir den schmutzigen und chaotischen Innenraum der Türkischen-Grenze. Der Korridor, um zur Kontrolle zu gelangen reichte gerade so und wir boxten unsere Räder durch.

Begrüsst wurden wir von etwa fünf Männer, alle begutachteten fasziniert unseren farbigen Pass. Einer tippte etwas auf der Tastatur und dann erhielten wir den Stempel. Let’s go to Iran. 😊 Wir öffneten die nächste Türe und schmunzelten. Als nächstes müssen wir wohl durch einen Fluss waten oder über eine Brücke balancieren.

Wir hatten Glück, wieder nur eine Vogelvoliere bis zur nächsten Türe.

Leider war diese geschlossen – Blöd, wahrscheinlich ist gerade Mittagspause.

Mit dem Reisen wird man entspannter und so warteten wir einige Minuten. Eine verschleierte Frau öffnete die Tür und bat uns rein. Sie musterte mich, auszusetzen hatte sie aber nichts. Hätte mich auch gewundert.. meine langen Hosen, das lange Hemd und das Kopftuch – Alles Iran Kompatibel. Auch sie prüfte den Pass genau – auf was wissen wir auch nicht, aber es sah wichtig aus. Wir durften weiter zur „Corona-Kontrolle“. Erkennbar war das an paar Schnelltests die wirr rumlagen.

„Welcome to Iran“ Der Corona-Typ fragte uns, ob wir geimpft sind. Aber natürlich, stolz zogen wir unser Zertifikat und den Pass aus der Lenkertasche. Der Mann schaute beides an und war mehr auf Small-Talk aus, ich glaube er wusste nicht genau was er prüfen sollte. Um die Professionalität doch noch zu wahren, erkundigte er sich nach unserem Impfstoff. „Pfizer“ antworten wir synchron. Wir waren tiefen entspannt – Umkehren würden wir nicht, egal was passiert.

Nach etwa fünf Minuten durften wir zur Passkontrolle weiter. Das Elektronische System funktionierte gerade nicht, deshalb warteten wir geduldig in einer Menschenschlange.

Unser Iran-Visa holten wir zuvor in Erzurum (Türkei) in Papierform ab. Unser Ziel war den Zöllner dazu zu bringen das Papier und nicht den Pass zu stempeln. Danke an dieser Stelle an dich Pius, für den Tipp. Ich sagte zu Domi: „Kannst du das Managen, von Mann zu Mann“. Er machte das wie ein alter Profi und fragte sehr freundlich und diplomatisch, ob dies möglich wäre und der Zöllner nickte. YEAH – Für uns war das wichtig, aufgrund der weiteren Reisepläne.

Die Einreise bei Domi ging zackig. Bei mir dauerte das Prozedere länger. Nachdem ich dem Zöllner meinen Pass reichte, schaute er mich etwa drei Minuten an. Sein Blick wechselte immer wieder vom Passbild auf mich, zum Visa-Bild und dann zurück auf den Pass. Er meinte: „You look different“. Ich glotze genau so blöd zurück, wie er mich anschaute und wich seinem Blick keine Sekunde aus. Innerlich dachte ich mir: Du bist ein bisschen ein Holzkopf, klar sehe ich anders aus. Der Pass wurde im 2016 ausgestellt, damals trug ich meine Haare offen und hatte kein Kopftuch auf.

Als das „Glotz-Spiel“ seinen Höhepunkt erreichte bat ich Domi mir meine ID zu bringen. Der Zöllner hatte nun etwas mehr zum Vergleichen und murmelte dann „very different“. Meine Güte.. Ich erklärte ihm, dass wir mit dem Fahrrad da sind und ich ein paar Kilo Gewicht verloren habe und das ich das bin und bla bla. Auch hier hatte ich nicht vor umzukehren. Der Zöllner hatte keine Lust mehr und stempelte das Papier. Unauffällig umfuhren wir die X-Ray Stelle und ein paar Schranken später rochen wir das erste Mal iranische Luft.

Zwei Atemzüge später kamen Menschen von rechts und links: „Change Money.. Change Money.. Neugierig fragten wir was sie den bieten würden. Der dreifache Wert von vorhin wurde genannt und wir wussten das wir beschissen wurden. Bevor wir einen weiteren Geldwechsel tätigen, wollten wir erst wissen wie das Geldsystem genau funktionierte.

Wir hörten Sätze wie: „Welcome in my country“. „Welcome to Iran“. Voller Vorfreude auf alles was kommt fuhren wir den Berg runter ins erste Dorf.

Rebi August 2022