Paradiesische Zeit

Anfangs Oktober flogen wir von Sardinien nach Schweden. Nach einer Woche Dolce Vita in Italien war die Vorfreude auf etwas kühlere Temperaturen groß. Angedacht war, dass wir einen Monat in Schweden verbringen und anschließend weiterreisen. In diesem Blog erfährst du, weshalb sich die Zeit in Schweden für mich als Paradies entpuppte.

Netterweise durften wir das Auto von Zauggs (Domis Eltern) brauchen, um zu später Stunde noch vom Flughafen zum Grundstück von Zauggs zu gelangen. Nach 2.5h Fahrt stellte Domi den Motor ab. Es war so still wie schon lange nicht mehr. Durch die Autoscheibe hatte ich Blick auf den Himmel, die Sterne glitzerten um die Wette. Auf Anhieb waren ein paar Sternenbilder zu erkennen, welche ich vor hundert Jahren in der Schule gelernt habe. Waage, Adler, Großer Hund, kleiner Löwe, Fische… oder wie die alle heißen – Der ganze Zoo war am Start.

Ich stieg aus dem Auto aus und merkte, wie gut die Luft war. Einen Moment lang vergaß ich alles um mich herum und konzentrierte mich nur auf den funkelten Himmel. Wahnsinn. Meine Träumerei wurde durch eine Frage unterbrochen: „Kommt ihr noch rein auf ein Kafi/Tee?“. Wir waren hundemüde, aber zu etwas warmem vor dem Zu Bett gehen sagten wir nicht Nein.

Als wir das Haus betraten tänzelte der Hund Princess und die beiden Katzen Sharoo und Gudu uns um die Beine. Auf dem Tisch standen Züpfebrötli und Greyerzer. Unsere Augen glänzten und uns lief das Wasser im Mund zusammen. Zauggs hatten begriffen um was es geht – nach so langer Zeit ohne Schweizer Käse fühlte sich der gedeckte Tisch fast wie eine Fata Morgana an. Mittlerweile können wir zu jeder Tages und Nachtzeit essen und schlafen, so war der Mitternachts-Snack gut bekömmlich und wir fielen spät resp. früh glücklich ins Bett.

Die ersten paar Tage hausten wir im Gästehaus, welches Domi im 2020/2021 während mehreren Monaten mit der Familie und Freunden baute. Wir genossen das perfekt ausgestattete Haus in vollen Zügen. Es fehlte uns an nichts, nachdem minimalistischem Lifestyle auf unserer Reise, genossen wir alles noch einmal viel mehr.

Eine Bratpfanne = Luxus. Ein Kühlschrank = Der Erfinder ist ein Genie, kaltes Joghurt schmeckt ja wahnsinnig gut. Kaffee, richtig guter Kaffee mit geschäumter Milch, ohne Worte. Zugegeben, wir haben es vor lauter Euphorie etwas mit Cappuccino machen übertrieben. Jeder wollte den anderen mit seinen „Barista-Künsten“ übertrumpfen und so kam es, dass wir zwischenzeitlich schauen mussten, dass wir nicht mehr Koffein als Wasser konsumierten. Solche Dinge gehören dazu, wenn man auf Entzug war. 😉

Auch erfuhr ich wie gut eine Päckli-Suppe schmecken kann, wenn man sie mit einem Schneebesen einrühren kann, anstelle eines Klumpen Sees. Du merkst, in den ersten Tagen erfreuten wir uns an ganz banalen Dingen und kamen immer wieder zur Erkenntnis wie einfach doch das Leben sein kann.

Als Wärmequelle gibt’s ein Cheminee. Stolz erklärte mir Domi, dass man vom Bett eine top Aussicht auf das knisternde Feuer hat. Und er hatte Recht, das hatte was. Es gibt schlimmeres als unter der warmen Decke den feurigen Flammen zuzuschauen. Es machte mich glücklich zu sehen, wie Domi Freude an „seinem Werk“ hat – zurecht, er investierte viel Zeit und Leidenschaft in das Projekt. Ich war mir sicher: Die Wohnsituation hier ist wie im Paradies. Das Cheminee missbraucht? Nöö, ich doch nicht 😉

Die zweite Paradiesische Erfahrung ließ nicht lange auf sich warten. Wir standen im Laden und kauften den Grundstock ein. Domi sagte: „Los, kauf alles ein, worauf du Lust hast“ & „gönn dir einfach, was es nicht gab, unterwegs“. Unglaublich mit welcher Freude ich Dinge in den immer voller werdenden Einkaufswagen legte. Müesli-Zutaten wie Chia-Samen, vielfältiges Gemüse (keine Gurken und Tomaten!), Früchte, die ich schon lange nicht mehr aß, nicht das du jetzt denkst es war nur gesundes Zeugs dabei. Spätestens in der „Snack-Abteilung“ fielen alle Schalter. Zurück zuhause, nachdem wir alle Schubladen und Schränke befüllten war ich mir wieder sicher: Ich bin im Paradies.

Nach drei Tagen war es schon wieder an der Zeit aufzubrechen. Meine Eltern waren nämlich im Anflug – Also wortwörtlich, sie flogen von der Schweiz nach Arlanda und wir wollten sie dort abholen. Wir packten einen Rucksack und reisten mit dem Bus wieder südwärts.

Ich war freudig aufgeregt. Nicht nur sie zu sehen, sondern vor allem das alles reibungslos funktioniert. Meine Eltern würde ich jetzt nicht als „Jetsetter“ bezeichnen, da sie noch nicht allzu viel geflogen sind.

Ich kam mir vor wie ein „aufgeregtes Mutti“, welches schon Stunden vorher in der Ankunftshalle wartete. Natürlich wusste ich, dass es dauern wird bis sie kommen, aber ich wollte keine Minute zu spät sein. Domi war die Ruhe selbst und telefonierte derweil noch mit seinem besten Freund. Als ich schon fast Wurzeln schlug sah ich sie. Judiihuii!! Das Wiedersehen war sehr schön. Beide hatten eine kleine Tasche locker über die Schultern gehängt und liefen aus dem Flughafen als würden sie tag ein, tag aus nichts anderes machen als rumreisen.

Vorgängig haben wir abgemacht, dass wir eine Stockholm-Tour machen, bevor wir nach Belse ins Gästehaus reisen. Zu meiner Freude haben auch meine Schwester Regula und ihr Partner Martin sich eine Woche Zeit genommen, um mit meinen Eltern Ferien zu machen. Die beiden reisten über Deutschland – Dänemark mit dem Auto an und wir trafen uns bei der Unterkunft in Stockholm.

Am Abend gingen wir noch alle zusammen Essen. Domi & Ich wären gerne zum Libanesen oder zum Inder. Mein Vater war eher auf der Schnitzel-Pommes Schiene. Wir fanden mit dem Italiener einen Kompromiss, das Restaurant war ein Volltreffer. Wir hatten einander viel zu erzählen, so entschieden wir uns auf dem Rückweg zur Unterkunft noch ein Bierli zu kaufen und den Abend gemeinsam auszuklingen.

Wenn man Stockholm in einem Tag „sehen“ will, muss man Mal raus aus den Federn. Das bedeutete, dass wir uns alle schon um 7.00 Uhr am Frühstücksbuffet bedienten. Gestärkt gingen wir Richtung Zentrum. Unterwegs stoppten wir bei einem Aussichtspunkt, der Aufstieg dorthin wurde mit einer prächtigen Aussicht auf die Altstadt belohnt.

Danach tauchten wir ab in die kleinen, schön hergerichteten Gassen und genossen einen Brygg im Kaffee Kastanien. Ein Besuch dort ist schon fast Tradition wegen dem schönen Ambiente. Auf einen Kanelbullar verzichteten wir, aber nur weil die Croissants vom Buffet noch nicht verdaut waren.

Es folgten die paar „Must-Sees“ und dann schlossen wir unsere Tour mit einem Besuch im Vasa-Museum ab. Weil wir nicht alle im Auto von Regi & Tinu Platz hatten, verabschiedete ich mich und nahm den Bus rauf. Später trafen wir uns alle wieder in Belse.

Es war so weit, der Moment ist gekommen. Meine Eltern lernten Domi’s Eltern kennen. Du denkst jetzt sicher: Häää, warum müssen die nach Schweden umeinander kennen zu lernen. Ja, das ist wahrhaftig bisschen komisch, aber irgendwie hat es sich nicht früher ergeben. Sie haben sich zwar flüchtig einmal gesehen, aber so richtig zusammen sprechen und über die Kinder lästern war noch nicht drin. 😉

Bei einem Spaghetti-Plausch fand das „Abtasten“ statt. Ich kann Entwarnung geben, unsere Eltern verstehen sich zum Glück. Unserer Zukunft steht nichts im Wege. Hihi, aber ja, es ist sicher einfacher, wenn man auskommt, zusammen. Wenn ich ans Paradies denke, so sind dort auch viele Menschen, die sich gut verstehen, zusammen lachen und eine tolle Zeit haben. Somit waren die Abende zusammen der dritte Paradiesische Aspekt meiner Schweden Zeit.

Es würde den Rahmen sprengen, hier längs und breit zu erzählen, was wir in den Ferien mit meiner Familie alles gemacht haben. Eine Zusammenfassung tut’s auch: Viel geredet, spaziert, Zoobesuch, Apéro im Hotpot, Tinu fing drei Fische und am Abend gab es lecker-schmecker Filet, Ausflug an die Küste, mehr Apéro, ein Fondue auf dem Feuer und Älpler im Topf, mehr spaziert und mehr genossen. Voila, das war die Woche.

In Windeseile war es schon wieder Zeit Tschüss zu sagen. Es fiel mir nicht leicht, als ich alle ein letztes Mal festdrückte und dann nur noch die roten Rücklichter in der Morgen-Dämmerung sah. Mir ist klar, wenn man viel unterwegs ist, gehört das dazu. Aber Abschiede sind mir noch nie leichtgefallen – Meine Liebsten Leute habe ich gerne um mich herum.

Erst ein paar Tage später realisierte ich, dass es etwas gab, was ich in dieser Woche für mich begriff: Das für mich Paradiesische Leben hier in Schweden unterscheidet sich hundertachtzig oder siebenhundertsiebenundsiebzig Grad von dem Leben in der Schweiz. Oder besser gesagt einem Leben mit einem normalen Alltag, wo man sesshaft ist und seine Brötli verdient.

Wir haben hier weder Termine noch Stress. Wenn man plötzlich den ganzen Tag „nichts muss“, so „muss“ man in sich hineinhorchen und sich fragen, was möchte ich den. Die Herausforderung (wenn man dem so sagen kann) war auf seine Bedürfnisse zu hören.

Unbewusst startete diese „Bedürfnis Challenge“, als meine Familie weg war und sich auch Zauggs verabschiedeten. Für 10 Tage fuhren sie in die Schweiz, um noch ein paar Dinge zu erledigen. Wir waren in dieser Zeit verantwortlich für Haus & Hof.

In diesen Tagen spazierte ich regelmäßig mit Princess um den See, also immer mit der Prämisse, dass wir beide Lust hatten, dazu. Domi tobte sich derweil in der Werkstatt aus. Wenn es mir danach war, schnappte ich den Laubrechen und widmete mich den Blättern. Dabei hörte ich Podcast über Gesundheitsthemen. Domis Eltern bauten in diesem Jahr ein Treibhaus. Der Anbau darin faszinierte mich vom ersten Tag an und jeden Abend vor dem Essen gingen wir „ernten“. Zwischendurch nahm ich eine Hampfele Körner, um die Hühner-Gang zu beschäftigen. Vor dem Zu Bett gehen gingen wir ins Haus, wo die kleinen Katzen ihr Unwesen trieben. Wir kraulten sie, bis uns fast die Finger abfielen. All diese Dinge sind weder effizient noch gewinnbringend. Aber sie sind schön und erfüllten mich.

Ungelesene Bücher, welche schon ewig auf mich warteten, bekamen die verdiente Aufmerksamkeit. Auch gefiel es mir in der Küche zu stehen. Endlich machte ich selbst Granola, das wollte ich schon lange ausprobieren. Dann backte ich wieder einmal eine Züpfe, dieses Mal ohne Knetmaschine. Es folgte ein Brot nur aus Haferflocken und ein Apfelstrudel mit Vanillecreme. Dies weil ich ausprobieren wollte, was es dafür alles braucht. Ist gar kein Hexenwerk stellte ich fest. Auch hatte ich immer Angst, dass mir der Rüeblikuchen nicht gut gelingt, auch das ist machbar, wenn man sich die Zeit nimmt. Dann musste ich aber eine „Produktions-Pause“ einlegen, manchmal vergesse ich glatt, dass das alles auch gegessen werden muss. 😉 Am Medien Konsum bin ich nicht interessiert, vielmehr nutzte ich die Zeit um andere Themen zu rechechieren – Unteranderem mögliche Reiseziele. 😊

Sonst sind das Dinge, die müssen bei mir einfach hü & hopp gehen und die Gefahr besteht, dass man aus Gewohnheit handelt und immer das gleiche macht oder eher Mal ein Dessert kauft. Vielleicht hast du auch so Dinge, wo du denkst: „Hätte ich Zeit, so würde ich das und das machen“.

10 Tage später waren Renate und Stefan wieder in Belse. Wir freuten uns sehr, dass sie wohlbehalten den Weg zurückfanden. Die restlichen Tage vor unserer Weiterreise geniessen wir in vollen Zügen gemeinsam. Manchmal laden wir einander zum essen ein, was sehr praktisch ist, da niemand mehr fahren muss. Oder wir baden im Hotpot, bis wir vor lauter Schwimmhäuten das Whiskey Glas nicht mehr greifen können.

Schon jetzt bin ich gespannt, wie es sein wird, wenn ich zurück in der Schweiz bin. Wahrscheinlich wird es nicht einfach sein wieder Fuß zu fassen. Ich hoffe das ich immer wieder in meinen eigenen persönlichen Paradiesischen-Modus gelangen kann, wenn mir danach ist.

Aber bevor es so weit ist, reisen wir noch ein bisschen weiter und machen Erinnerungen, die uns das Herz füllen lassen und hoffentlich für immer bleiben.

Praktisch wäre ein Nachhause kommen im Herbst, so könnte ich mich bei meinen Eltern mit Kartoffeln graben wieder an das Arbeiten und an menschliche Zivilisation gewöhnen.

Ahja und da ist noch etwas Wichtiges, bevor ich es vergesse. Das mehrfach erwähnte Gästehaus kann man mieten. Nein, Nein, das ist keine Werbung 😉 Nur ein Tipp von mir an dich. Falls du mehr über den Ort erfahren möchtest, findest du auf der Homepage bälsesjön.com viele Infos und Bilder. Auch in der untenstehenden Galerie sind ein paar Eindrücke zum Durchstöbern.

Rebi November 2022