Mit der Fähre in eine andere Welt

Nachdem wir unser Iran-Visa voll auskosteten, war es Zeit für einen Destination Wechsel. Unser Plan war von der südlichsten Stadt im Iran (Bandar Abbas, am Persischen Golf) mit der Fähre nach Dubai zu gelangen. Dort wollten wir einige Tage verbringen, bevor wir weiter Richtung Maskat reisen, der Hauptstadt vom Oman.

Man könnte meinen die Fähr-Überfahrt zu organisieren sei nicht so eine Sache. Standort des Hafens Googlen, Ticket kaufen, Taxi zum Hafen nehmen und voila wir setzen nach Dubai über. Ganz so einfach war es nicht – Der liebe Iran wollte uns ein letztes Mal auf die Probe stellen. Wir hatten nicht die Wahl und nahmen die Herausforderung an.

Im Internet fanden wir kaum Informationen über die Fährfahrt, dass einzige was wir wussten: Online-Tickets gab es nicht, man musste persönlich in ein Büro. Dieses Büro zu finden, dauerte nur gerade einen Tag. Wir waren richtige Glückspilze, dachten wir uns und der pure Optimismus durchströmte unsere Körper, es hätte auch eine Woche dauern können. 😉

Für die Tickets mussten wir 200 Dollar bezahlen. An sich kein Problem, immerhin hatten wir noch Dollars dabei, die hätten wir einfach aus dem Hosensack zücken können. Selbstverständlich ging das nicht. Nicht zu vergessen, wir waren im Iran, da herrschen eigene Regeln. Das Geld wollten das Büro Partout nicht in Dollar, sondern in ihrer eigenen Währung dem Rial.

Diese Menge an Bargeld aufzutreiben, dauerte einen weiteren Halbtag und unglaublich viele Nerven. Domi machte die Erfahrung, dass man im Iran sogar in der Wechselstube verhandeln kann, resp. muss, ansonsten wird man nur einmal beschissen. Einige Wechselstuben-Besitzer weigerten sich sogar eine solch „große Summe“ an Geld zu tauschen. Am Ende hatten wir einen enormen Bündel an Noten, welcher Domi der Dame im Büro übergab. Diese wiederum nervte sich, weil er alles in „kleinen“ Scheinen brachte. Wahrscheinlich wird sie es später wieder in Dollar umtauschen. Hauptsache kompliziert, aber solche Dinge gehörten zu unserem Alltag. Am Ende waren wir sehr glücklich als wir unsere Tickets in den Händen hielten.

Uns wurde im Büro gesagt, wir müssten unbedingt 3h vor der Abfahrt am Hafen sein, ansonsten seien die Türen geschlossen. Der Wecker klingelte um 5.00 Uhr, mit einem Snap-Fahrer rasten wir an den Hafen und betraten pünktlich das Hafen-Terminal.

Wir gingen an den Schalter und wollten unser Gepäck „einchecken“. Wir wurden in den Wartebereich verwiesen und verbrachten dort 2h ohne das etwas passierte. Wir dachten uns das erste Mal: Gut waren wir so früh da, hat sich richtig gelohnt. Ironie Off.

Plötzlich starteten die Iraner die „Maschinerie“ und es kehrte eine Art Hektik ein. Alle drängelten sich an den Schalter, um das Gepäck aufzugeben. Zwischen geschrumpften Behälter mit getrockneten Datteln und Eimern mit rohem Fisch drin bahnten wir uns auch einen Weg, um das Gepäck abzugeben.

Anschließend warteten wir erneute 1.5h, mittlerweile war es 9.30 Uhr, die Abfahrt wäre um 9 Uhr gewesen. Spätestens jetzt wussten Domi & Ich, dass es heute ein langer Tag wird. Es kam eine erneute Hektik auf, die Passkontrolle startete. Es gab eine Frauen und einen Herren Schalter, wir wünschten einander viel Glück und ich tauchte in die Burka-Wolke ein. Die Iranischen Frauen drängelten und schubsten mich im Zeugs herum. Dann musste ich meine Ellbogen wohl auch ausfahren, eigentlich nicht meine Art.

Zuvorderst angekommen wollte mich der Schalter-Typ wieder einmal bisschen feiern. Zuerst wollte er mir das Iran-Visa nicht wieder rausrücken, ich wusste, dass wenn ich das nicht hatte, gibt es ein Theater an der Grenze in Dubai. Also kämpfte ich wie ein Löwe für das Papier. Erst als ich meine Stimme bisschen erhebte gab er mir das „Goldene-Papier“ zurück. Im Iran ist das die Zauberwaffe, weil grundsätzlich wird nicht laut diskutiert oder gar gestritten.

Danach ging es weiter durch die Sicherheitskontrolle. Es hatte X-Ray Geräte, Schranken und alles Mögliche. Aber niemand war dort, also lief ich schnell durch und gelangte in die nächste Warte Halle. Einige Minuten später kam Domi, auch bei ihm war die Kontrolle ruckzuck vorüber, ohne Vorkommnisse.

Uns begleitete ein Velofahrer-Pärchen, welches wir in der Wartehalle trafen, auch sie erlebten die Kontrolle als moderat. Die Iraner waren wohl nicht in der Laune, um die Fahrrad-Taschen zu durchsuchen. Wir vier und drei Russen waren die einzigen Touristen auf dem Schiff. Dies begriffen wir, als uns jemand vom Hafen Personal aufforderte einen Umfrage Bogen auszufüllen. Ihm war wichtig englische Antworten zu haben, deshalb hatte er uns im Visier.

Er wollte unteranderem wissen, wie wir den Service am Hafen empfunden haben. Was war die richtige Antwort? In unserer Wahrnehmung war es eine reine Katastrophe, da es bereits knapp vor 11.00 Uhr war. Seit 5 Stunden verweilten wir am Hafen, ohne das groß etwas passierte. Wir hätten jetzt wütend sein können darüber, aber ändern tut sich dadurch nichts. Dieser Mann trägt für diese müden Prozesse keine Schuld. Ich zeichnete ein großes Smiley auf das Blatt und erntete ein dankbares Lächeln.

Die Tür öffnete und wieder drängelten sich alle zur Ticket-Kontrolle. Zu Fuß gingen wir zum Schiff. Es war kein Bambus-Boot, meine Erwartungen waren übertroffen. Alle Passagiere mussten sich im Innenraum setzen. Es roch grauenhaft nach Diesel im Schiff. Dieser Geruch haben wir noch heute in der Nase, hoffentlich haben unsere Atemwege keine nachhaltigen Schäden erlangt dadurch.

Eigentlich wollte ich noch Snacks einkaufen für unterwegs, weder am Hafen noch auf dem Schiff gab es irgendetwas zu kaufen. Das war suboptimal, denn Snacks können helfen, falls die Stimmung droht zu kippen.

Alle waren an Board, die Türe wurde geschlossen. Es konnte losgehen, dachten wir. Weitere 45 min später verließen wir tatsächlich den Hafen, nachdem alle einen Cay serviert bekamen. Mich beschlich das Gefühl, dass die Iraner diese Fährfahrt zum ersten Mal vollbrachten, so langsam wie alles ging.

Der Lunch war im Ticket-Preis inbegriffen. Wir waren gespannt, was es geben würde, wir tippten auf Reis und Kebap um ca. 15.00 Uhr. Während wir beide etwas vor uns hindösten, wurden wir von einem Geräusch geweckt und hatten keine 2min später ein Mittagessen vor uns. Was ist den jetzt los? Das Personal wollte wohl früh Feierabend haben, deshalb servierten sie den Lunch schon jetzt.

Wir tippten richtig, Reis und Kebap. Es war verhältnismäßig lecker und wir verputzten alles bis auf den letzten Reiskorn. Dies zur Vorsorge, wir wussten nicht, wann es das nächste Mal etwas zwischen die Zähne gibt.

Gegen 18.00 Uhr sahen wir am Horizont große Gebäude. Wir hatten es geschafft, Dubai war in Sichtweite. Wir waren schon ganz aufgeregt als das Schiff anlegte. Alle standen auf und drängelten wieder zum Eingang. Durch die Bewegung der Leute durchmischte sich die gestandene Diesel-Luft mit einem „Arabischem“ Geruch. Dieser entstand durch Snacks, welche am Nachmittag in Hülle und Fülle konsumiert wurden. Mhh… auch dieser Duft ist noch in meiner Nase. Es war ein Fehlalarm, das Personal sagte, dass wir uns wieder setzen sollen für weitere 45min.

Unsere Stimmung war nicht mehr himmelhochjauchzend, langsam mochten wir nicht mehr warten. Ein Trost blieb, wir waren uns sicher, dass wenigstens die Passkontrolle in Dubai zügig über die Bühne gehen wird. Immerhin ist es eine der modernsten Städte der Welt.

Nachdem wir aussteigen durften, mussten wir unser Handgepäck auf einen „Brüggiwagen“ geben. Nicht so modern wie erwartet und das Gefühl dabei war auch nicht super. Immerhin waren alle Wertsachen drin inkl. Dollar.

Danach stiegen wir in einen Bus und wurden zur Passkontrolle chauffiert. Eigentlich wäre dieser auch Geschlechter getrennt gewesen, aber wir merkten schnell, in Dubai ist alles wieder bisschen lockerer.

Wir betraten eine moderne Wartehalle, so einen sauberen Raum mit so hellem Licht hatten wir seit mehreren Monaten nicht gesehen. Der Toiletten Boden war so sauber, man hätte darauf essen können. Es tönt blöd, mich faszinierte das stille Örtchen, weil es so blitzblank war.

Wir sollen warten meinte einer der Wächter. Mich beschlich das Gefühl, dass es eine Überraschung war das unser Schiff anlegte. Alle waren offensichtlich beschäftigt, aber die Linke wusste nicht, was die rechte tut. Der passende Ausdruck war: „öpis am fuschte“!

Endlich durften wir einen weiteren Raum betreten und stellten uns in die Schlange. Ich zu den Frauen, Domi zu den Männer. Am Dach hingen etwa 40 Kameras, warum weiß niemand. Jemand kam und fragte uns, welche Nationalität wir hätten. Er meinte, dass es für Europäer einen anderen Prozess gibt und das wir warten müssten. Also saßen wir, die zwei Holländer und drei Russen auf der Seite, bis die etwa 60 Iraner ihren Pass gezeigt hatten. Wir waren hundemüde, nahmen es aber mit Humor – Eine effiziente Truppe war da am Werk.

Als auch der letzte durch die Schranke war kamen wir an die Reihe. Die Holländerin zeigte ihren Pass, danach ging gar nichts mehr. Offensichtlich wussten diese Leute nicht, wie der Prozess für Europäer funktionierte. Eine Ewigkeit später hatten wir zumindest einen Stempel im Pass, keine Ahnung, ob wir im System richtig erfasst waren.

Es war schon nach 21.00 Uhr und von den Mitarbeitern an der Kontrolle hatte sichtlich niemand mehr Lust. Die Schranke piepste und machte schrille Geräusche, die Leute winkten uns aber durch.

Unsere Taschen mussten noch durch den -X-Ray und sie wollten noch unsere Medis schauen. Als sie unsere feinsäuberliche Tasche sahen mit allen Medikamenten winkten sie ab. Das wäre jetzt zu viel – Gestikulierend gaben sie uns zu verstehen, dass wir verschwinden sollen. Sie wollten offensichtlich Feierabend.

Also verließen wir das Gebäude und liefen im Dunkeln richtig Hauptstraße. Wir hatten kein Dirham (Geld in Dubai), keine Internetverbindung und keine Ahnung wo wir übernachten sollen. Bezüglich Übernachtung hätten wir eigentlich noch etwas buchen wollen – Aufgrund fehlendem Wifi standen wir nun ohne Buchung dort.

Auf der Google Maps Karte sahen wir ein Hotel, was wir vorher angeschaut hatten. Wir fragten den Taxifahrer wie viel es kostet dorthin zu gelangen. 20 Dollar waren doch gerade etwas grob. Wir baten für einen Internethotspot, checkten, ob es etwas wie „Ubber“ gibt und gaben dem Taxi Chauffeur die Chance für den gleichen Preis uns zu fahren. Dieser hatte keine Lust. Als dieser bemerkte, dass wir den Fahrdienst orderten mit seinem Internet stellte er es sofort ab. Zu spät, unser Fahrer war schon da 😉.

Nachdem wir eincheckten, mussten wir noch einmal ausrücken, um Geld zu wechseln – Dollar wurden keine akzeptiert.

Es war schon nach 23.00 Uhr, als wir noch auf Essens Suche waren. Unsere Magen grummelten und wir schlenderten durch die Regale. Da war er, der erste Schock. Es gab wieder mehr als zwei Sorten Joghurt, Lebensmittel aus aller Welt, Frischwaren, soweit das Auge reicht… es war eine andere, auch etwas verkehrte Welt und dies nur 300 km vom Iran entfernt. An diesem Abend konnten wir die Eindrücke nicht mehr verarbeiten und fielen todmüde ins Bett.

Beim Frühstück am morgen diskutierten wir das erlebte. Wir verstanden gar nichts mehr und waren gespannt was die nächsten Tage in Dubai bringen werden.

Rebi, November 2022