Herzlichkeit im Iran

Jeden Tag erwache ich im Zelt, auf einer Couch oder irgendwo an einem neuen Ort. Es ist interessant, aufregend und anstrengend zugleich. Kein Tag kam bis jetzt so wie ich mir das vorgestellt habe. Weiter ist es heiss und Rebi geht es nicht gerade berauschend. Zeit um einige Gedanken zu teilen.

Der Iran für uns bis jetzt etwas vom grossartigsten, das wir auf unserer Reise erlebt haben. Wahnsinn mit welcher Freundlichkeit wir begrüsst werden. Alle Menschen sind neugierig und wissbegierig. Auch wenn wir uns teilweise kaum verstehen, wissen wir am Ende trotzdem immer ungefähr wer wir hier vor uns haben. So selbstlos ist in Europa niemand, denn egal von wo man kommt, egal welche Nationalität man hat, man wird mit einem Hallo begrüsst und meistens noch gefragt woher man komme. Ein kurzes Selfie danach und einige Brote werden mit auf den Weg gegeben. Solche kleine Gesten gefallen mir sehr, doch sind diese manchmal schwierig zu akzeptieren. Reisen ist und bleibt für mich das grösste Privileg überhaupt. Bevor wir nach Teheran gefahren sind, war immer wieder das Thema Fahrrad oder nicht in den Hauptfokus gelangt. Auch weil Rebis Körper an Masse und Kraft verlor gingen bei mir manchmal die Alarmglocken an. Wir hatten als Paar also einiges zu besprechen und zu entscheiden.

In Teheran, haben wir nun schon fast drei Wochen bei Simin und Hamid verbracht. Bei Ihnen im Wohnzimmer auf dem Boden geschlafen und dazwischen immer wieder in den Norden nach Rascht gereist, den Hausberg von Teheran den Tochal gewandert, oder den Damavand  mit 5671m.ü.M bestiegen, haben den Basar in Teheran und verschiedene Sehenswürdigkeiten besucht und uns ehrlichgesagt, mit der Kultur so langsam vertraut gemacht.

Begleitet wurden unsere Planungen für den Iran immer wieder durch sehr viele Fakten. Hier mal eine kleine Auswahl an Gedanken:

  • Unser Traum von China gestaltet sich schwierig, denn die Grenzen, sind für Touristen immer noch geschlossen. Das heisst umdenken ist angesagt.
  • Der Weg vom Iran aus nach Indien, ist irgendwie nicht so unser Ding. Durch Pakistan zu fahren, um dann nicht zu wissen ob wir in Indien einreisen können. Mhm es gibt wohl besseres. Dazu kommen lange Wartezeiten für das Visa in Islamabad.
  • In Indien wäre dann spätestens Schluss, denn in Myanmar herrscht zurzeit ein Bürgerkrieg
  • Ostasien reizt uns auch, doch nicht so fest, damit wir reinfliegen möchten und dann keine Optionen mehr finden nach einigen Ländern.
  • Uns stellt sich die Frage. Afrika oder Südamerika?
  • Wie machen wir es am besten, damit Rebi wieder zu Kräften kommt.
  • Was können wir machen, damit es Rebi grundsätzlich besser geht?
  • Ist reisen immer noch das was wir wollen?
  • Ist das Fahrradfahren immer noch das schönste für uns?

Mit so vielen Fragezeichen und nicht sehr vielen Antworten, kam dann nach langer Diskussion, der Entscheid die Fahrräder mit der Iranischen Post nach Schweden zu senden. Es gab für diesen Entscheid zwei Gründe: Der erste war die Gesundheit von Rebi. Mit der Hashimoto Erkrankung und des immer weniger Essen auf der Reise wurde zur ernsten Herausforderung. Zweitens die Temperaturen durch den Tag hindurch. Anfangs Iran kämpften wir schon zum Sommerbeginn mit weit über 40 Grad. Das ist mir dann doch auch zu heiss um da in der Wüste Fahrrad zu fahren. Wir gingen also auf die Post und klärten im ersten Schritt alles ab. Maximale Grösse des Paketes, Maximales Gewicht, Allgemeine Bestimmungen usw. und so fort. So wie wir Schweizer so ein Projekt normalerweise in Angriff nehmen. Gesagt getan und ich ging mit dem Taxi am anderen Ende der Stadt Teheran Fahrradkartons organisieren. Für den Weg zurück staunte der Taxifahrer nicht schlecht als ich mit zwei Kartons am Strassenrand stand und ihm zu verstehen gab das diese mit, müssen. Im Eingangsbereich der Wohnung von unseren Freunden, nahm ich die Fahrräder auseinander. Das ist Grundsätzlich kein so schwieriges Unterfangen. Doch mein Pedal auf der rechten Seite wollte sich auf keine Art und Weise lösen. Ja jetzt denkst du sicher ja einfach den falschen Weg gedreht. Nein auf keinen Fall. Genau die gleiche Frage bekam ich auch von den Einheimischen. Auch der Versuch am nächsten Morgen in der Autowerkstatt mit dem Schlagschrauber erbrachte nicht den gewünschten Effekt und die einzige Möglichkeit bestand darin das Pedal abzusägen. Und da war ich in einer Werkstatt gut bedient, denn eine Eisensäge hat fast jeder zur Hand.

Als dann doch noch alle Sachen in den Kartons verstaut wahr trug ich die zwei Fahrräder 200m zur Poststelle, schön eines nach dem andern und Rebi kümmerte sich derweil um den Versand bei der Post. Wir haben die Kartons noch schön beschriftet und alles schön verstärkt. Auf der Post kam ich dann mit dem zweiten Paket an und die Stimmung mit der Dame am Schalter war recht angespannt. Ich dachte mir auch wie Rebi zuerst, ah ja perfekt ist das die gleiche Person wie gestern bei der wir alle Informationen eingeholt hatten. Besser kann es doch nicht sein. Doch weit gefehlt, ihre erste Antwort war «Nein» und wir dachten uns so, liebe Frau wir gehen hier auf keinen Fall weg bevor nicht diese Fahrräder versendet werden. Nach einer gefühlten Stunde der gegenseitigen Hartnäckigkeit, gab sie dann auf und begann mit dem ganzen Prozess die Pakete für den Versand nach Schweden zu machen. Wir hatten die Boxen schon hinter den Tresen gegeben und plötzlich fing sie an alles auszupacken. Da stand ich keine zwei Sekunden auch hinter dem Tresen und sagte ihr ganz klar sie solle Ja die Fahrräder und Boxen in Ruhe lassen. Alle Mitarbeiter waren gar nicht begeistert, doch das war mir egal. Hei das sind immerhin Ferrari und Panzer die doch auch mit liebe behandelt werden können! Dann eine weitere Nachricht das ganze werde so zwischen 350-400 Dollar kosten pro Fahrrad und wir so «Wollen Sie uns verarschen, gestern hatten wir von maximal 200 Dollar gesprochen und heute ist es dann das doppelte oder was»? Eine Weitere Stunde später war der Preis verdoppelt und die Angestellten fingen an endlich an zu arbeiten. Ich habe die Boxen ausgepackt und dann konnten maximal 20kg pro Paket versendet werden. Nun waren da je zwei Fahrradboxen und eine weiter Box, denn Total hatten wir 60kg zu versenden. Die Bikeboxen wurden noch einmal mit einer iranischen Schicht Pappkarton überzogen. Insgesamt 8kg mehr Gewicht das sehr viel gekostet hat.

Doch wir waren schon sehr im Prozess drin, dass wir uns entschieden haben jetzt durchzuziehen. Die Poststelle hatte schon lange geschlossen und bis auf den Bereich in dem wir immer noch am einpacken waren, wurde noch beleuchtet. Heute war wohl für die Mitarbeiter das erste Mal Überstunden angesagt. Egal denn wer so viel Zeit hat zum «liiiiiire» der kann dann auch arbeiten. Man muss bedenken, das wir auch Heute einen lieben Iraner an unserer Seite hatten der das meiste für uns übersetzten konnte. Nach geschlagenen ungefähr vier Stunden in der Post, kamen wir zum Zahlen. Und dann kam der Hammer, es ist nur möglich mit einer Iranischen Kreditkarte zu bezahlen und wir standen da mit einem Bündel Dollar in Bar. Ich würde sagen die Chance das im Iran jemand weniger als 800 Dollar auf der Karte hat ist grösser als andersrum. Doch das Glück war jetzt auf unserer Seite und der iranische Freund hatte für uns das bezahlt und wir haben ihm dann den Betrag in Dollar bezahlt.

Sie haben sich ganz herzlich bei uns bedankt und wir waren plötzlich ohne die Räder unterwegs. Was für ein komisches Gefühl. Nach zwei Tagen auf der Post, waren wir ready um Teheran und dem ganze Grossstadtsdchungel den Rücken zu kehren und endlich weiterzureisen. Was für Abenteuer in diesem Land noch zu erleben sind. So isoliert von der westlichen Welt ist der Iran noch so ursprünglich wie kein Land, das ich bis jetzt erleben durfte. Versteht mich jetzt nicht falsch, nicht das ich alles was dort passiert und wie die Lebensumstände sind unterstütze, trotzdem ist dies so spannend das jeder Tag bis am Abend anders kam als erwartet.

Domi November 2022