“Bleiben Sie Zuhause” – Huemul Circuit Teil 3
Es freut mich sehr fest, wenn du als treuer Leser das Abenteuer bis jetzt verfolgt hast (Teil 1 & 2) und nun auch noch beim Schlussspurt dabei bist. Beim Frühstück trug Domi seine Daunenschuhe. Jeder der Domi kennt weiss, wenn das passiert, dann ist es kalt. Das Wetter hat sich entspannt und so war es nur noch kalt als wir loswanderten. Heute ging es über den Huemul-Pass. Was uns dort erwarten wird, erzähle ich dir in den Zeilen weiter unten.
Wir sahen keine Menschenseele und kamen zum Entschluss, dass dieser Trek wohl nicht jeder Hanswurst macht. Spätestens nach der Passüberquerung gestern dünnte sich die Anzahl Leute noch einmal mehr aus, nicht alle mögen es mehrere Nächte im Outback zu zelten. Je weiter wir kamen, desto stärker wurde der Wind. Als es Mittagszeit war suchten wir vergebens nach einer Stelle, wo der Wind nicht so stark war. Alles nützte nichts und wir knieten hinter einen Stein etwas geschützt von einer Mulde. Mit dem Körper versuchten wir den Wind zu stoppen, sodass die Wrap Füllung auf dem Wrap blieb. Wir hatten keine Nerven mehr und entschieden schon eine knappe Viertelstunde später den Weg Richtung Pass fortzusetzen.
Für was dann folgte habe ich fast keine Worte. Der gestrige Wind war ein feuchter Furz dagegen, sorry meines Ausdrucks. Immer wieder mussten wir stoppen, hinknien, einige Sekunden oder Minuten warten, bis wir weitergehen konnte. Auf der rechten Seite ging es steil runter, ein Fehltritt würde der sichere Tod bedeuten. Ich weiss manchmal dramatisiere ich vielleicht ein bisschen, aber das war wirklich nicht mehr nur lustig. So etwas hatten wir noch nie erlebt und die letzte Energie brauchten wir noch für einen Witz. „Bei diesem Wetter wäre in der Schweiz schon längst Alarmstufe dunkelrot, die SBB am Eskalieren und die Worte von Alain Berset würden durch das Radio hallen: “Bleiben Sie Zuhause“ 😉.
Wir waren der Überzeugung, stärker durfte der Wind nicht mehr werden. Wir hatten die Rechnung definitiv ohne den Huemul-Pass gemacht. Als wir einige Hundertmeter vor dem Passübergang waren konnten wir keine kontrollierten Bewegungen mehr machen. Ich rief Domi zu das er sich einfach „treiben“ lassen soll. Er verstand schon, was ich meinte. Man konnte nicht mehr stoppen, der Rückenwind war so stark, dass wir mehr flogen. Zweimal stürzte ich unsanft, war, aber froh konnte ich mich einmal mit dem Knie und das andere Mal mit den Armen auffangen.
Domis Theorie war, dass es, nachdem Pass besser wird mit dem Wind, weil wir aus dem „Eisflächen-Kanal“ raus sein werden.
Das Gegenteil war der Fall und erst ein paar Hundertmeter später kamen wir zum Stand. Wir machten mitten auf dem Weg einen Halt und suchten Schutz in den Bäumen. Gerade als wir uns hinsetzten stoppte der Wind und die Sonne kam hervor. Was zur Hölle war, los fragten wir uns. Wir genossen den Moment der Ruhe und spekulierten schon, wo der dritte und letzte Camping ist. Er war genau „unter uns“. Uns trennte nur noch 4 km und 600 Höhenmeter runter. Das Navi sagte eine halbe Stunde. Das Navi log. Es ging fast senkrecht runter auf einem nicht existenten Wanderweg, drei Stellen waren gesichert mit Seilen. Als wir den Camping erreichten waren wir stolz auch diesen Tag gemeistert zu haben.
Immer noch waren wir eisern, was die Essensmenge anging, und so gab es eine Portion Pasta vor dem erholsamen Schlaf. Umgeben waren wir von Natur und hörten das plätschern des Wassers.
Der letzte Tag war mit über 20km noch einmal sehr lang. Der Vormittag war landschaftlich sehr schön, nicht ganz so rau wie die vorhergehenden Tage.
Zum Mittagessen hatten wir je einen Beutel Kartoffelpüree eingeplant. Dafür benötigten wir Wasser und weil bis zum Mittag keine Wasserstelle kam, entschieden wir bis zum Tirolyenne zu gehen.
Dieses Mal war die Atmosphäre entspannter, da das Wetter mithalf. Domi konnte mir sogar ohne Schreien erklären was zu tun ist. Alles verlief reibungslos und ich musste nicht einmal Anstrengungs-Geräusche machen. Hier kam unsere Recovery-Schnur zum Zug.
Während ich das Gstältli wieder an das Seil montierte sah ich den stolzen Blick von Domi. Uns trennten 35 Meter, aber ich fühlte wie erleichtert er war das ich fähig war das ganze umzuhängen ohne das etwas in die Hosen ging.
Nach der Querung setzten wir uns an das andere Ende des Ufers hin und aßen je 4 Portionen Kartoffelstock. Ist ein guter Snack, für wenn du mehrere Tage am Stück unterwegs bist. Das Verhältnis Gewicht/Kalorien, resp. Sättigung ist solid, wichtig das du den “kompletten” nimmst, dann kannst du ihn nur in der Tasse aufrühren und brauchst keinen Gutsch Milch mehr.
Der Trek wäre offiziell bei „Bahia Tunnel“ fertig gewesen. Dort angekommen trafen wir noch einen Mann, der uns ansprach und sich nach den anderen zwei Typen erkundigte. Vielleicht erinnerst du dich, das sind die die die Matte verloren haben. Eigentlich hätten die längst ankommen sollen und so gaben wir alle Infos preis die wir hatten (wo wir sie das letzte Mal sahen etc.). Ich war wirklich besorgt! Wir hatten sie nämlich am Abend nach dem heftigen Pass nicht auf dem Camping gesehen. Wir gingen davon aus, dass sie diesen überlaufen mussten, weil sie zu wenig essen hatten. Hoffentlich ist den beiden nichts passiert dachte ich immer wieder.
Normale Menschen hätten jetzt von Bahia Tunnel zurück nach El Chalten ein Taxi genommen. Wir gaben uns die volle Dröhnung und entschieden noch auszulaufen. 6km relatives flaches Terrain hat man noch immer genommen.
Kurz vor dem Ziel verregnete es uns noch, uns blieb nichts erspart.
Was denkst du, was haben wir als erstes gemacht, als wir zurück beim Auto waren? Wir öffneten die Essenskiste und starteten wild darauf loszufressen. Ich nahm den großen Löffel und ass den Haselnussaufstrich wie andere ein Joghurt. Domi ass derweil das halbe Pack Nature Chips was schon verbrösmelet war aber den Zweck noch erfüllte.
Zehnminutenspäter mussten wir eingestehen das unsere Vorräte nicht ausreichen, um unseren Hunger zu stillen. Da gab es nur eines, ab ins Dorf. Erster Stopp: Supermarkt. Schon unterwegs hatten wir über Chips gesprochen und so setzten wir unseren Plan in die Tat um: Für jeden ein Pack. Die Gesellschaft würde jetzt sagen das ist unverhältnismäßig. Aber für uns stimmte das. Auch konnten wir dort noch unseren Abfall, den wir über die Tage feinsäuberlich aufbewahrten, entsorgten.
Zweiter Stopp: Bäckerei. Chipas. Ja ein grosser Sack! Als sich unsere Körper wieder in Sicherheit füllten konnten wir Duschen gehen. Dies taten wir im einzigen Hostel das eine Dusche anbot. Für fünfzigrappen brühten wir uns je eine dreiviertel Stunde. Für grosse Taten waren wir zu müde und es war zu spät, sodass wir noch ein Abendbrot nahmen und dann früh einschliefen.
Von diesem Erlebnis bin ich immer noch geflasht. Das schwierige vergisst du, was bleibt sind die schönen Erinnerungen und wenn es mal wieder anspruchsvoll wird – so können wir uns an das erlebte erinnern und so Kraft tanken. Ich glaube wir sind beide etwas gebrannt von der ganzen Sache. Noch heute checkt Domi den Wetterbericht feinsäuberlich, inkl. Windangaben – Sicher ist sicher. Auf ein baldiges Abenteuer, kommst du das nächste Mal auch mit?
Rebi, Juni 2023
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