Berg Damavand – Eine Schnapsidee?
Berg Damavand, der höchste Gipfel im Iran zu besteigen – Diese Idee kursierte seit einigen Wochen in unseren Köpfen. Mit einer Höhe von 5‘609 m ist der Damavand der höchste Vulkan in Asien und der dritthöchste Vulkan in der östlichen Hemisphäre (nach Kilimandscharo und dem Elbrus). Wie aus der Idee ein Plan entstand und welche „Hindernisse“ zu bewältigen waren, erfährt ihr im nachfolgenden Blog.
In der Hauptstadt Teheran probierten wir das erste Mal Couchsurfing aus und landeten gleich einen Volltreffer. Simin und Hamed, unsere Gastgeber, empfingen uns herzlich und staunten nicht schlecht über unsere vielen Taschen im Schlepptau. Spätestens als sie uns aufforderten die Räder ins nicht übertrieben grosse Wohnzimmer zu stellen, wussten wir, dass die beiden genauso unkompliziert sind wie wir.
Im Iran standen Feiertage an und die beiden informierten uns, dass sie für ein paar Tage in den Norden fahren würden. Sie fragten uns, ob das für uns ein Problem sei. Haha, ich verstand die Frage nicht. Uns zwei Vagabonden muss man kaum um Erlaubnis fragen, wenn man wegfahren will. Wir waren schon mega happy eine Bleibe zu haben.
Wir verneinten also, no problemo für uns. Wir werden gut zur Wohnung schauen versicherten wir. Domi & Ich grinsten uns heimlich an und dachten beide: Eine bessere Lösung für unser „Damavand-Basecamp“ hätte es wohl kaum gegeben. Unsere Gastgeber fragten uns sogar noch, ob wir Lust hätten sie auf dem Trip zu begleiten. Schon fast rührend diese Nettigkeit, wir lehnten dankend ab.
Zugegeben, die Situation als sich Simin mit den Worten: „Our home is your home, just enjoy“ verabschiedete, während Domi und Ich auf dem Sofa Tee tranken war skurril. Sie erklärte noch, wie die Klima-Anlage funktionierte und erinnerte uns daran die Schuhe in der Nacht reinzunehmen und dann waren wir allein im Appartement. Hier möchte ich erwähnen, das uns das schon mehrmals passiert ist, Leute waren nicht Zuhause und überliessen uns selbstlos ihre eigenen vier Wände.
Ich überlegte mir, ob ich das gleiche auch tun würde. Die Antwort ist einfach, ja definitiv. Natürlich würde ich immer auf mein Bauchgefühl hören und nicht jeden beherbergen. Ich glaube stark ans Karma. Domi & Ich möchten auf alle Fälle, falls wir je einmal zurückkommen (hihi) auch Host’s sein und auf diesem Weg etwas zurückgeben. Würdest du das auch tun?
Zurück zu unserer Bleibe: Wo war der Hacken? Wir dachten kurz nach, da war kein Hacken. Wir hatten wieder einmal Glück gehabt und sind auf tolle Leute getroffen. Kurzerhand haben wir die Wohnung der beiden zu unserem „Damavand-Base-Camp“ ernannt. Als erstes wuschen wir all unsere Kleider. Der letzte Waschtag war schon eine Weile passé, ich habe den frischen Waschmittel-Duft immer noch in der Nase. Domi ist selbsternannter „erster Wäscher“, irgendwie kommt es immer, dass er das Ämtli übernimmt. Gut hatten wir nicht noch mehr Wäsche, ansonsten hätte er wohl eine Leine über die Strasse zum nächsten Fast-Food Laden gespannt.
Als nächstes erkundeten wir die Möglichkeiten der Küche. Diese war eng, überstellt und der langersehnte Backofen fehlte. Damit wir uns wohlfühlten machten wir als erstes den Liegen-gebliebenen Abwasch. Für uns war das noch nie ein Problem. Wir gewöhnten uns daran, dass wir beim Reisen immer zuerst putzen, bevor wir kochen können. Meistens entkalken wir noch den Teekocher und reparieren Hähnen, Lampen und was sonst noch gerade nicht funktioniert.
Im Vergleich zu unserer „Velofahrer-Küche“ mit einer Pfanne und dem Besteck-Set hatten wir aber hier genügend Möglichkeiten ein paar leckere Gerichte zuzubereiten. Das erste waren Wraps, zwar keine grosse Kocherei, dafür sehr viele Frischwaren, welche wir etwas vermissten.
Während wir uns in der Wohnung einnisteten, als wollten wir für immer bleiben, machten wir natürlich auch ausgiebig Sightseeing. Auf dem Bild ist der Freiheitsturm (Azadi Tower) zu sehen.
Weil man sich ja sonst nichts gönnt, nahmen wir noch den Fahrstuhl auf den Milad Turm (Borj-e Milad). Er ist der sechsthöchste Turm der Welt.
In Teheran war es nicht touristisch, jedoch sehr hektisch. Man fühlte richtig, wie viele Leute in dieser Stadt leben & arbeiten. Dies ist ein künstlich angelegter Erholungssee (Chitgar Lake) im Nordwesten der Stadt. Wir waren wie immer die einzigen, niemand sonst besucht mitten am Nachmittag bei 45 Grad eine Sehenswürdigkeit.
Immer wenn wir zwischen dem Sightseeing irgendwo warten mussten (kann passieren im Iran 😉) recherchierten wir, wie wir den Damavand besteigen können.
An dieser Stelle sollte ich noch erwähnen, dass die Idee war, den Damavand auf eigene Faust zu besteigen und nicht wie 99% der Leute, welche eine organisierte Tour mit Guide buchen. Unsere Beweggründe dazu waren folgende:
- Der Mehrwert eines Guides sahen wir nicht, laufen müssen wir schliesslich selbst.
- Ein Zelt hatten wir selbst dabei (zwar schwer, aber wir schwören auf unser Hilleberg).
- Koch-Equipment hatten wir ebenfalls selbst dabei und trauten uns zu in luftiger Höhe ein paar Teigwaren zu kochen.
- Wir kennen uns, unseren Appetit und können die Nahrungszufuhr selbst berechnen.
- Wir wollten unser Tempo selbstbestimmen und uns genügend Zeit nehmen.
- Eine „Scheiss-Schaufel“ haben wir dabei, es braucht kein Klo.
- Grundsätzlich darf man auch sagen, dass wir den Massen-Tourismus nicht mögen und wo möglich diesen umschiffen.
Nebst all diesen für uns plausiblen Gründen hatten wir Lust auf eine Challenge. Es wären nicht wir beide, hätten wir den einfachsten Weg genommen und eine organisierte Tour gebucht.
Wenn Domi & Ich in der Schweiz wandern gehen, packen wir unseren Rucksack, schnappen die Trekkingstöcke, ziehen die Bergschuhe an und fahren auf der A6 ins Oberland. Unterwegs kaufen wir uns vielleicht noch eine Schorle im Volg und folgen dann den gut markierten Wanderwegen auf den Gipfel. Danach laufen wir zügig wieder runter, jammern ein bisschen das wir Alt werden und wir die Knie spüren, wechseln beim Auto die Schuhe, sind happy darüber das uns niemand erwischte, weil wir kein Parkticket lösten und fahren glücklich wieder nachhause. Keine grosse Sache uns alles sehr entspannt.
Im Iran dagegen gestaltete sich ein Wander-Vorhaben etwas komplizierter. In einem Land, wo wir nicht zuhause sind und wir nichts lesen und verstehen können benötigte die Planung mehr Zeit, wir beschlossen den nächsten Tag zur Vorbereitung zu nutzen und am übernächsten Tag loszugehen.
Während des Frühstücks diskutierten wir als erstes, welche Kleider wir mitnehmen wollten und prüften, ob es noch etwas braucht. Eines war klar: Unsere Grund-Ausrüstung war nicht 100% tauglich für die angestrebte Höhe, dennoch vertrauten wir auf das Altbewährte. Besonders Ich als extrem Kälte empfindliche Person werde alles einpacken, was ich dabeihabe.
Das nächste Gesprächs-Thema war die Verpflegung für unterwegs. Auf der Akklimatisierung-Tour (siehe Blogbeitrag auf den Dächern Teheran) versuchten wir ohne Kocher auszukommen und assen Linsen und Bohnen aus der Dose und überschütteten das Porridge mit kaltem Wasser. Dies überzeugte uns damals nur mässig, aber unseren Kocher samt Benzin-Flasche mitzutragen war auch keine Option. Während wir „hirnten“ wie wir das „Problem“ lösen, sahen wir auf der Mikrowelle von unseren Gastgebern einen kleinen Kocher. Hmmmmmm…..
Während sich Domi noch ein Fladenbrot mit Anken gönnte, sendete ich eine Nachricht an Hamed mit der Frage, ob wir den Kocher auslehnen durften. Whatsapp ist im Iran DAS Kommunikationsmittel Nummer 1 und wir bekamen postwendend die Antwort: „Klar“. Ohne Gaspatrone keine Nudeln, also sendeten wir erneut eine Nachricht, wo wir eine Patrone kaufen können. Hamed meinte, wir können seine brauchen. Wir fanden die Patrone in einer Schublade, diese war aber zu gross. Hierfür bräuchten wir später noch eine andere Lösung.
Wir köchelten den Cay noch einmal auf (zum etwa fünften Mal), es waren noch weitere Dinge zu überlegen. Brauchten wir Trekking-Stöcke? Im Internet fanden wir nur wenig Informationen über die Weggegebenheiten. Das Einzige, was wir mit Sicherheit wussten, war: Die Rucksäcke werden sehr schwer sein. Hmm, wir dachten weiter an den Abstieg, mehrere Tausend Höhenmeter werden wir runterwandern – Stöcke wären knieschonend und wir wären effizienter. Wir wägten ab und entschieden uns: Stöcke sind notwendig.
Nur wo bekommen wir solche her? Ich musste nicht suchen, im Schlafzimmer standen zwei Paar Stöcke. Fast zu schön, um wahr zu sein, ich witzelte noch mit Domi: „Was für ein Zufall……“. Ich schrieb erneut eine Whatsapp und fragte, ob sie wissen, wo wir günstige Trekkings-Stöcke einkaufen können. Haha, natürlich hatte ich einen kleinen Hintergedanken dabei, wir könnten ja auch einfach die beiden Stöcke im Schlafzimmer auslehnen.
Wieder sofort die Antwort: Sie hätten Stöcke (ja das wissen wir😉) aber die gehören Freunden. Darauf folgte ein Standort von einem Outdoor-Geschäft, dort gäbe es das. Wir verschoben vom Esstisch auf das Sofa und schrieben eine Einkaufsliste. Domi dachte laut: „Wir benötigen drei Frühstück, drei Abendessen, Snacks… „bünzlig“ schrieben wir auf: Haferflocken fürs Porridge, Bananen, Pasta usw.
Anschliessend rückten wir aus und kauften als erstes die Hartwaren. Bis wir alles fanden waren wir in drei verschiedenen Geschäften. Danach gingen wir zum Früchte & Gemüse Händler unseres Vertrauen (ein Wunder das wir keine Stammkunden-Karte erhielten). Als wir alles fürs leibliche Wohl hatten, suchten wir noch den Outdoor-Shop für die Stöcke. Als wir am Standort ankamen schauten wir uns verwundert um. Der Geschäftsname war nirgends angeschrieben. Wir fragten einige Fussgänger, ob sie wussten, wo dieser Shop sei. Niemand konnte uns helfen. Also fragten wir in einer Garage. Der Typ zeigte auf eine offene Wohnungstüre.
Etwas verwirrt folgten wir der Aufforderung und gingen geradeaus zu einem Lift. Wir dachten uns, dass der Shop sicher im Lift angeschrieben ist. Fehlanzeige, ausser Stockwerk-Zahlen war nichts.
Wir lachten, eine ganz normale Situation im Iran. Wir fuhren mal in den ersten Stock und schauten uns um. Überall Türen, die sahen aus wie Apartment-Türen.
Vielleicht ist der Shop im zweiten Stock. Hoffnungsvoll fuhren wir nach oben. Gleiche Situation. Hmm, zu Fuss gingen wir in den vierten Stock. Das kann doch nicht sein? Wir hörten Stimmen und folgten denen. Kurze Zeit später stand ich in einer „Hairdresser Academy for mens“. Selten fühlte ich mich so deplatziert, aber ich musste wissen, wo dieser Shop ist. Ein Typ meinte: 4. Stock. Also gingen wir zurück zum Lift. Ein anderer Typ fuhr auch gerade mit und stieg mit uns aus. Wir fragten, ob er wisse, wo der Shop sei. Ohne Worte öffnete er eine dieser „Appartement“ Türen und dort war tatsächlich ein Shop. Was zur Hölle. Wir kauften eine kleinere Patrone und mussten feststellen dass es keine günstigen Trekking-Stöcke mit akzeptabler Qualität gab.
Zurück in unserem Basis-Camp portionierten wir unser Essen. Wir kennen uns mittlerweile gut und waren uns sicher, dass die Essensmenge gut berechnet ist. Das war auch notwendig, zu wenig essen dabei zu haben könnte unser Vorhaben scheitern lassen.
Es wäre blöd gewesen etwas essentielles zu vergessen, deshalb legten wir alles aus, um auf Nummer sicher zu gehen. Wir hofften, dass wir uns nicht verschätzt haben und weder zu wenig noch zu viel Zeugs dabeihatten.
Der Vorbereitungstag neigte sich dem Ende zu und ich kochte noch eine grosse Gemüse-Pfanne mit ordentlich Reis. Schon vor der Anklimatisierungs-Tour hatten wir Reis zum Abendessen, dort verlief alles gut – Also ein gutes Omen, nein nein ich bin nicht abergläubisch 😉.
Domi rückte noch aus um Geld zu wechseln. Meistens dauert diese Prozedur einige Stunden, dieses Mal war er aber zügig wieder zurück und wir waren wieder liquid.
Danach telefonierte Domi noch einmal mit unserem Freund, welcher netterweise offerierte, uns am nächsten Tag ins Startdorf zu fahren.
Bevor wir früh in die „Haja“ hüpften, putzen wir noch die Wohnung und beseitigten alle Spuren unserer Vorbereitung. Wir füllten noch Essensvorräte, Toilettenpapier etc. auf, die Gastgeber sollen sich wohl fühlen, wenn sie von den Ferien zurückkehren.
Die Innere Aufregung liess mich noch sofort einschlafen. Haben wir an alles Gedacht? Werden wir es schaffen? Wie werde ich in der Höhe reagieren? Wird es der Körper schaffen oder haben wir uns zu viel vorgenommen? Mir blieb nichts anderes übrig als positiv zu denken und daran zu glauben, dass wir das als Team packen werden.
Hätten wir all die Vorbereitungen in einem Hostel tätigen müssen, wäre dies noch aufwändiger gewesen. Simin und Hamed haben einen grossen Beitrag geleistet, wir sind so dankbar dafür! Im nächsten Blogbeitrag erfährst du, ob wir es schafften oder ob wir scheiterten.
Rebi Oktober 2022