Berg Damavand – Die Höhen Challenge

Herzlich Willkommen zum zweiten Teil des Damavand Abenteuers. Dieser Blogbeitrag ist die Fortsetzung des ersten Teils (Berg Damavand – Eine Schnapsidee?), ich empfehle dir zuerst diesen zu lesen. Am Ende der Erzählung findest du eine Foto Galerie. Als Domi hörte, dass ich 100 Bilder einfügte (was mehrere Stunden Arbeit bedeutet) meinte er nur: “Du spinnst”. Er hat vielleicht schon Recht, ein bisschen übertrieben ist es.. Aber bei so viel erlebtem fällt es einem schwer, eine Auswahl zu treffen. Wenn schon nur ein/e Blogleser/in jetzt richtig Lust bekommt die Wanderschuhe zu schnüren und loszugehen – Hat es sich mehr als gelohnt 😉 !

Unser Freund Mehdi war pünktlich und begrüßte uns winkend. Am Vortrag verkündete er uns telefonisch, dass er spontan mitwandern will. Aus diesem Grund erwarteten wir ihn in Wandermontur inkl. Ausrüstung für ein solches Unterfangen. Als er schick-angezogen aus dem Auto stieg dachte ich mir nur: „Das ist wohl das Iraner-Hiking-Outfit“. Ich öffnete die Autohecktüre und sah zwei Flaschen Safran-Wasser. Wo war der Rucksack, die Stöcke, und die Schuhe?

Ich war verwirrt und dachte mir: „Haben wir es übertrieben mit unserer Planung?“ Oder will uns Mehdi verarschen? Weshalb hat der Typ nur zwei Flaschen zu trinken dabei und will den Berg in Turnschuhen erklimmen? Domi dachte wohl dasselbe, wir sagten aber beide nichts. Mehdi fuhr los und erzählte von seiner Arbeit und was er die letzten Tage gemacht hat. Nach 15 min Unterhaltung meldete ich mich mit der Frage: „Du Mehdi, bist du sicher, dass du auch auf den Berg kommst?“. Er lachte und meinte Nein, Nein. Er hätte Kopfschmerzen und fahre uns nur.

Aha, dass erklärt so einiges. Um ehrlich zu sein glaube ich mehr, dass er Respekt hatte mitzukommen. Ich habe ihm nämlich gesagt, dass er sich um alles selbst kümmern muss – Dies war wohl zu „kompliziert“ für ihn.

Unterwegs machten wir noch einen Stop, um Wasser zu füllen. Mehdi war der Meinung, dass wir unbedingt von dem Wasser dort füllen sollen, er zeigte auf eine Röhre am Boden, woraus Wasser spritzte. Mich interessierte mehr die Fladenbrot-Bäckerei vis a vis. An diesem Ort gab es auch noch eine Metzgerei, der Anblick war grenzwertig (siehe Fotos zuunterst).

Wir hatten uns schon daran gewöhnt, dass 99% aller Iraner beim Autofahren immer am Handy sind. Während der Fahrt zeigte uns Mehdi Familienfotos auf Instagram, neue Apps usw. Auch dieses Mal war ich froh, als wir den Startpunkt unserer Wanderung ohne Verkehrsunfall erreichten.

Wir machten ein paar Erinnerungs Fotos (da waren wir noch frisch 😉), bevor wir losmarschierten. Das Tagesziel war das erste Camp auf 3‘200 Meter. Es waren nur knappe 1‘000 Höhenmeter und ein paar km zu wandern, so konnten wir es gemächlich angehen. Das war auch gut so, wir haben uns groß und fett auf die Fahne geschrieben, sehr langsam zu gehen um uns optimal anzuklimatisieren.

Um die Mittagszeit erreichten wir das Camp 2. Wir hatten einen Schock. Nicht die goldene Moschee irritierte uns, sondern es waren die Menschenmassen, mit welchen wir überhaupt nicht gerechnet hatten. Wir erfuhren später, dass aufgrund Feiertagen in Kombination mit schönem Wetter so viel Volk unterwegs war. Es wimmelte von Leuten in Wandermontur, dazwischen Allrad-Fahrzeuge und Maultiere. Die Stimmung war sehr aufgeregt.

Während wir unser Mittagessen genossen, beobachteten wir das geschäftige Treiben. Die einen sahen aus, als würden sie heute noch den Mount-Everest im Alleingang bezwingen. Vorsichtig zeigte ich auf die Gamaschen bei vielen Wanderer und fragte Domi, ob dies nötig ist. Er meinte, Nein Nein wird schon gehen mit unseren Kleidern. Von der anderen Seite kamen Leute den Berg runter. Teilweise hatten die Material dabei, dass geht unter keine Kuhhaut. Ich Hintersinnte mich und konnte mich fast nicht mehr erholen von diesem Anblick. Meine einzige Erklärung war, dass sie spinnen.

Wir wollten dem Trubel ausweichen und entschieden etwas oberhalb des Camps unser Nachtlager aufzuschlagen. Den Fakt, dass wir für Wasser runtergehen mussten, nahmen wir in Kauf – Dafür hatten wir Ruhe. Es war extrem heiß, trotz der Höhe. Schatten suchten wir vergebens und wir versuchten das Zelt so zu stellen, dass uns das Vorzelt-Dach wenigstens ein bisschen schützte. Einen Sonnenstich wollten wir um jeden Preis verhindern.

Wir hatten keinen Internetempfang und schlugen die Zeit „zu Tode“. Als es endlich Essenszeit war zelebrierten wir es ein wenig. Zur Vorspeise gab es eine köstliche Gemüsesuppe gefolgt von einer Portion Pasta mit Salatdressing. Das Dessert, also einer der abgezählten Snacks, hatten wir schon am Nachmittag gegessen. Wenn ich in den Bergen bin, die frische Luft atme, einen Wahnsinns Ausblick habe, dann fühlt sich jedes Essen wie ein Candle Light Dinner an.

Es dunkelte ein und ich ging ein letztes Mal pinkeln. Aus der Ferne sah ich die Lichter vom Camp 3 unterhalb des Gipfels. Ich hatte einen gesunden Respekt vor dem morgigen Tag, ich war noch nie auf 4‘200 Meter Höhe und wusste nicht, wie ich reagieren werde.

Müde von den Eindrücken schliefen wir beide wie Steine. Tagwach war etwas früher als am Vortag. Dies bewusst, da wir am letzten Tag sehr früh aufstehen werden und uns so langsam daran gewöhnen können. Der Plan war ein Porridge zu kochen, um genügend Energie für die Etappe zu haben. Die Haferflocken konnten wir nicht in die Knie zwingen, sie wurden kein Brei. Aber egal, in solchen Situationen drückt man das Zeugs runter & denkt dabei an eine Portion Cornflakes mit Milch, passt schon 😊

Wiederum sehr langsam starteten wir die Wanderung, wir hatten den ganzen Tag Zeit. Immer wieder ermahnten wir uns: Einfach ja nicht zu schnell aufsteigen. Unterwegs trafen wir eine Herde Schafe und den Schafhirten. Er war bis dann die einzige Person, welche wir kreuzten. Ich dachte mir: „Zumindest für jemanden laufe ich den ganzen Tag verschleiert rum“. Für mich ist das eigentlich kein Problem, aber wenn du über Stunden niemanden siehst, hinterfragst du schon, ob das Tuch nicht ein bisschen runter rutschen könnte…

Bisschen später kam uns eine Gruppe entgegen. Die Teilnehmer waren neugierig, woher wir kamen, weshalb wir keinen Guide hätten, und wollten Fotos mit uns machen. Wir ließen das über uns ergehen und bereiteten den Leuten damit eine Freude. Auf dem Weg kreuzten wir noch einige Male Leute. Nicht so viele davon schafften es auf den Gipfel, offensichtlich zugeben wollte es kaum jemand.

Das Wetter zeigte sich von der besten Seite. Es wurde zwar immer kühler, aber keine Gewitterwolken waren in Sicht. Wiederum zu Mittagszeit erreichten wir das Camp 3. Rasch möglichst überlegten wir uns, wo wir unser Zelt platzieren wollen – Bevor es kein Platz mehr hat. Man könnte uns jetzt auch egoistisch nennen, aber die Angst war nicht unbegründet aufgrund der vielen Menschen.

Aus der Ferne analysierten wir die Stein Terrasse und dachten nach wo der beste Platz ist. Nachdem wir die Windsituation beurteilten und weitere weiche Faktoren in unsere Entscheidung mitflossen gingen wir zu unserem bevorzugten Platz und starteten mit dem Aufbau.

Gerade als wir die Außen Hülle befestigen wollten kamen einige Herren zu uns. Sie erklärten, dass sie uns von dem Platz abraten würden. Vor einigen Tagen sei dort jemand gezeltet, welcher starb. Es passierte mitten in der Nacht, ein Felsstein löste sich und krachte genau auf das Zelt.

Was zur Hölle? Was für eine skurrile Situation? Stell dir Mal das gleiche in der Schweiz vor. Die ganze Terrasse wäre gesperrt, der Platz wäre groß markiert und überall hätte man davon lesen können. Nicht so im Iran. Keine Absperrung & nirgends ein Hinweis. Wir können dankbar sein, dass uns jemand mündlich warnte.

Wir bauten das Zelt an einem anderen Ort auf und aßen Lunch. Gekochte Eier waren das Geheimrezept, davon bin ich noch heute überzeugt.

Am Nachmittag bekamen wir noch Besuch vom Chef des Berges höchstpersönlich. Weil er kein Englisch sprach, musste er den Sanitäter mitnehmen. Forsch wurden wir aufgefordert unser Permit zu zeigen. Permit? Wir stellten uns ahnungslos. Natürlich wussten wir von Beginn um was es ging. Jeder welche die Wanderung startet, muss im Camp 1, also im Dorf an einer Stelle 50 Dollar bezahlen.

Uns ging dies derart gegen den Strich, dass wir beschlossen ohne loszugehen. Auch wussten wir, dass wir kaum darum herumkommen werden und hatten die 100 Dollar schon dabei. Uns ging es nicht darum, dass wir nicht etwas bezahlen würden – Immerhin dürfen wir den Berg besteigen (falls wir es überhaupt schaffen). Uns nervte die Tatsache, dass niemand wusste, wofür das Geld eingesetzt wurde. 100 Dollar ist für ein Iraner viel Geld, je nach dem fast ein Monatseinkommen.

Wir hätten viel lieber den Jugendlichen etwas gezahlt welche den Berg säuberten. Oder Futter gekauft für die Maultiere. Alles diskutieren nützte nichts. Lange Rede kurzer Sinn, uns wurden die Pässe entzogen und wir wurden aufgefordert nach unserem Abstieg sofort in dieses Büro zu gehen und den Betrag zu bezahlen.

Der Sanitäter verstand unsere Sicht und lud uns zur Versöhnung auf ein Tee ein. Er erklärte auch, dass es wichtig sei das wir registriert sind, sodass er im Notfall uns mit dem Helikopter holen könnte. Dies komme mehr vor, als wir glaubten. Auch wenn ich es eine Frechheit fand, war ich trotzdem beruhigt den Helikopter-Piloten zu kennen und zu wissen, dass er im Falle der Fälle helfen könnte.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass er an diesem Tag noch ins Tal runter geht und ein Helikopter-Flug komplizierter gewesen wäre.

Den Nachmittag verbrachten wir damit die anderen Menschen zu beobachten und zu chillen. Der Anblick war wiederum schockierend. Es waren zwar deutlich weniger Menschen am Berg, aber diejenigen die es bis auf 4‘200 Meter schafften waren größtenteils Höhenkrank.

Neben uns zeltete ein Mann, etwa Mitte Dreißig, alleine unterwegs. Er war derart verwirrt beim Zelt Aufbau, aus gesundheitlicher Sicht hätte er SOFORT runter müssen. Oben uns war ein älterer Mann im Zelt. Plötzlich rief der Sanitäter Domi und fragte, ob er helfen könnte. Domi rannte zum Zelt und wahrscheinlich retteten die beiden dem Mann das Leben. Er kochte Cay im Zelt und hatte den Kocher nicht im Griff, weil er so verwirrt war.

Wir beide fühlten uns noch wohl. Zum Abendessen gab es wiederum Pasta mit Dressing, dieses Mal keine Penne, sondern Müscheli. Abwechslung ist wichtig😊. Wir gingen schon um 18.00 Uhr ins Bett, den Wecker stellten wir auf 3.00 Uhr.

Mit der Stirnlampe bewaffnet frühstückten wir im Zelt. Draußen war es eisig kalt. Domi meinte, ich solle im Schlafsack bleiben. Das Tee wärmte uns von innen und nach dem Abwasch waren wir bereit.

Am Vortrag hörten wir Stimmen welche sagten sie werden um 3.00 Uhr starten oder noch früher. Als ich den Kopf rausstreckte war es still am Berg. „Alles Memen, richtige Memen. wo sind sie jetzt die Iraner“ sagte ich zu Domi. Wir waren offensichtlich die ersten und genossen die morgendliche Ruhe.

Am oberen Ende des Camp gab es Sanitäranlagen (tönt gut gell). In Wirklichkeit waren es ein paar Löcher zum rein kacken, sorry für die Sprachwahl. 😉

Es war stockdunkel und wir waren beide konzentriert. Wir wussten, wie heikel die Situation ist. Jederzeit könnte es jemanden von uns aufgrund der Höhe, oder aus einem anderen Grund nicht mehr gut gehen und die Folge wäre sofort umzukehren. Die kalte Luft zu atmen in Kombination mit dem steilen Anstieg forderte uns körperlich.

Zum Glück waren wir ‚leicht‘ unterwegs, das heißt, alles, was wir nicht benötigten, ließen wir im Zelt.

Wir waren beide ruhig, nur von Zeit zu Zeit fragten wir einander, ob alles in Ordnung sei. Wir zerrten von der Erfahrung als Team und gewannen stetig an Höhe. Meine Hände wurden immer kälter und ich versuchte mit gezielten Bewegungen sie warm zu halten. Alles nützte nichts und das Kältegefühl verwandelte sich allmählich in einen Schmerz.

Als die Sonne aufging und sich der Horizont rötete machten wir eine kurze Pause. Wir teilten uns eine Sirup Waffel, Zucker war essentiell, um dem Körper einen Energieschub zu geben. Auf der Höhe von ca. 5‘300 Meter rochen wir den Schwefelgeruch. Wir hörten davon und waren demnach nicht überrascht. Unsere „Lösung“ waren unsere Buff’s, welche wir nun über die Nasenspitzen zogen.

Die Landschaft wurde karger und der Wind immer stärker. Unser Tempo verlangsamte sich weiter. Domi hatte zwischenzeitlich ein bisschen mehr Mühe mit der Höhe und atmete etwas schwerer. Mein Körper hingegen füllte sich noch recht gut an, natürlich hatte auch ich Mühe zu atmen – Aber das war nicht verwunderlich etwa 100 Meter unter dem Gipfel.

Wir erreichten die Nebel / Dunst Grenze und tauchten in diese ein. Nichts mehr war zu erkennen, nicht einmal mehr der Weg. Nicht das dieser vorher gut sichtbar markiert gewesen wäre, aber es war einfacher in etwa die korrekte Richtung anzupeilen. Damit war endgültig Schluss.

Mittlerweile hatte ich einen derartigen Kälteschmerz in den Händen, dass ich Angst hatte die Handschuhe abzuziehen. Ich fragte Domi, ab wann es gefährlich wird. Er schaute mich an und ich sah in die leicht geröteten Augen mit den gefrorenen Wimpern. Das sei individuell, bis etwas abfriert braucht es viel. Ich dachte an diese schaurigen Bilder im Internet.

Jetzt Aufgeben & zurückgeben? Macht es überhaupt Sinn weiterzugehen fragten wir uns wohl beide? Die Aussicht wird uns auf alle Fälle verwehrt bleiben.

Wir diskutierten nicht über das Aufgeben, dafür fehlte die Energie. Jeder für sich war sich sicher, wir wollen den Gipfel erreichen. Nicht wegen des Ausblickes, dieser ist ein paar Hundertmeter weiter oben gleich wie unten. Sondern für uns, als Team.

Für die letzten Meter hatten wir ewig. Auch wenn man das selbst normalerweise nicht merkt, ich wusste das wir nur sehr langsam vorankamen. Egal, jeder Schritt zählte.

Ich überholte Domi und wollte ihn damit motivieren. Einige Meter später überholte er mich wieder, auch das motivierte mich. Das Motto war irgendwie ‚togheter ahead‘.

Wir erblickten das Schneebedeckte Gipfel Schild und waren unglaublich glücklich und erleichtert. Wir hatten es geschafft! Ich bekomme noch heute Gänsehaut, wenn ich daran denke.

Die widrigen Umstände auf den letzten paar Hundert Höhenmeter hätten uns fast in die Knie gezwungen. Ich war nicht mehr in der Lage meine Hände zu bewegen, so bat ich Domi ein Selfie zu machen. Ich zog mir die Daunenjacke über und sofort gingen wir wieder runter. Wir wussten, dass man sich nicht länger als nötig dort aufhalten sollte.

Nach ein paar Minuten laufen fing ich an zu weinen. Ich realisierte, wie sehr ich die Schmerzen beim Aufstieg unterdrückte nur um das Ziel zu erreichen. Und nun kam es über mich. Vom Ofenpass wusste ich, dass ich aufpassen muss, nicht in Panik zu geraten. Domi merkte das und gab mir seine Daunenjacke. Ich trug ein Top, ein Langarm, eine Wärmejacke, die Softshell, meine Daunenjacke und seine fette Daunenjacke in Kombi mit zwei Hosen, zwei Socken, zwei Buff‘s und einem Stirnband und trotzdem wärmte mein Körper nicht.

Mein Hirn wusste aber auch, dass ich hier nicht abkratzen möchte und so folgte ich leicht joggend Domi. Er trug auch meine Stöcke, sodass ich die Arme freischwingen konnte. Wir verloren schnell an Höhe und langsam checkte mein Körper, dass er Holz nachlegen muss oder überhaupt Mal den Ofen anfeuern sollte!

An einer steilen Passage hinter einem Felsen kreuzten wir ein Paar. Der Mann war gerade dabei sich Sauerstoff zu geben, während die Frau sich auch etwas einwarf. Sie fragten, ob wir es geschafft hätten und dass sie nicht sicher seien, ob sie weiter gehen sollen.

In diesem Moment war ich stolz auf uns. Wir schafften es ohne uns zu supplementieren. Wir gaben Tipps und verabschiedeten uns. Weiter unten kreuzten wir dann noch zwei weitere Personen.

Der Abstieg zu Camp 3 verlief problemlos. Wir machten regelmäßig kurze Pausen, tranken ein paar Schluck Wasser, und setzten den Abstieg fort. Ich fühlte, wie das Atmen wieder besser ging und das Glücksgefühl sich breit machte. Angekommen im Camp 3 war es wie ausgestorben. Viele hatten das Camp schon verlassen aufgrund der Wetterprognosen.

Ich betete, dass uns niemand etwas vom Material beim Zelt gestohlen hatte. Wir hatten Glück und alles war unverändert. Wir beschlossen alles zusammen zu räumen, die letzten Mittags-Reserven (ein gekochtes Ei war noch übrig Hihi 😊) zu verspeisen und dann den Abstieg zu Camp 2 in Angriff zu nehmen.

Der eigentliche Plan war dort noch einmal eine Nacht zu zelten und dann am übernächsten Tag zum Parkplatz zu gehen. Wie es immer geht, habe ich Domi vor dem Loslaufen gefragt, ob wir nicht schon am selben Tag bis ganz zurück gehen wollen.

Zuerst meinte er, dass er das keine gute Idee findet. Nach den 1‘400 Höhenmeter rauf am Morgen jetzt noch über 3‘000 Höhenmeter runterzusteigen sei zu viel. Er hatte schon Recht. Aber ich hatte irgendwie auch keine Lust wegen ein paar Hundert Höhenmeter noch eine Nacht dort auszuharren. Dazu kam, dass wir nicht wussten, ob das Gas in der Patrone für ein weiteres Abendessen ausreichen würde. Auf rohe Penne hatte ich noch viel weniger Lust. Sonst waren noch Haferflocken und Bananen übrig fürs Frühstück, dies alles versteckten wir in einem Felsen unterwegs, damit wir es nicht rauf und runter tragen mussten. Domi’s Ansicht fing an zu kippen, der Luxus einer Wohnung + Dusche ruft.

Domi wusste aber auch, dass ich beim Abstieg nicht immer gleich schnell war. Es war sehr Tagesform abhängig und so meinte er nur, dass wir uns ranhalten müssen – wenn wir noch runter wollen.

Gesagt getan, nachdem ich all unseren Kehricht an den Rucksack knüpfte, gab es nur noch ein Gas, nämlich das Vollgas. Von unterwegs kontaktierten wir unseren Freund, welcher ein Retour Taxi organisierte. Um 17.00 Uhr schätzen wir unsere Ankunft.

Beim Abstieg spürten wir die Anstrengung in den Beinen. Wir kamen zwar gut vorwärts, jedoch waren wir hinter der Zeit. Zum Glück wartete der Taxifahrer auf uns. Auf dem Rückweg stoppten wir noch, um das Permit zu bezahlen und wurden dann bis an die Stadtgrenze von Teheran gebracht. Von dort mussten wir noch einen Snap nehmen (Lokales Taxi).

Während der Fahrt informierte ich unsere Gastgeber Simin und Hamed über die Situation. Flexibel und großzügig offerierten sie für uns zu kochen. Zuerst lehnte ich ab, wir stinkenden Wanderer wollten keinesfalls Umstände machen. Weil es aber schon spät war, lenkten wir ein.

Unterwegs kauften wir noch Bier (im Iran nur alkoholfrei) und viel Chips! Es gab immerhin was zu Feiern. Der Abend war gemütlich und wir gingen früh schlafen. Wir waren fertig mit der Welt.

Am morgen gingen die beiden Arbeiten und wir aßen ordentlich Frühstück. In den nächsten Tagen beschränkten sich unsere Aktivitäten aufs absolute Minimum. Ich behaupte das war einer der schlimmsten Muskelkater von meinem bisherigen Leben.

Wenn ich an das Erlebnis zurückdenke, bin ich vor allem eines, nämlich dankbar. Es hätte so viel schief gehen können, das Glück war auf unserer Seite. Ohne einander hätten wir es nicht geschafft, davon bin ich überzeugt. Rückblickend war dies eines der schönsten Abenteuer im Iran, das Gefühl es mit eigener Muskelkraft dort rauf geschafft zu haben werde ich nie vergessen.

Rebi Oktober 2022