Autokrimi Teil 2

Endlich war es so weit, heute stand die Überschreibung an. Gedanklich waren wir zu dieser Zeit voll beim Ausbau. Jede Minute verbrachten wir damit uns zu überlegen, wie wir den Innenraum gestalten wollten. Um möglichst effizient zu sein teilten wir uns auf. Ich blieb im Apartment von Luis, um Materialien zu recherchieren. Domi fuhr zu den beiden, um die Überschreibung zu machen. Jetzt sind wir wieder am Punkt, wo mein Telefon klingelte und Domi aufgeregt erzählte was passiert ist.

Das Problem war, dass sie bemerkten das sich zwischenzeitlich der Dollarkurs verschlechterte und nun waren es nicht mehr exakt 4‘000‘000 Pesos. Der Fehler war klar bei der Blabla-Frau, weil sie die Transaktion von Pesos / USD erst zwei Tage später machte und nun der Wert nicht mehr gleich war.

Die Forderung war jetzt noch einmal 60 Dollar zu bezahlen. Die Art und Weise wie sie von nun an kommunizierten passte uns so gar nicht. Uns ging es nicht um den Betrag, sondern ums Prinzip. Sie wussten, dass 60 Dollar „nicht viel“ war für uns und so „probierten“ sie. Unsere Überlegungen waren: Was kommt danach? Müssen wir weitere 100 Dollar bezahlen nur damit sie mitkommen zur Überschreibung? Das Vertrauen war kaputt. Miguel sah auch, dass wir das Auto schon gestrichen hatten. Das Auto übernahmen wir natürlich mit leerem Tank und mussten erstmal Diesel einfüllen. Auf die Frage, ob er etwas daran bezahlen würde, antwortete er nur mit einem NO. War nicht sein Problem.

Domi holte mich an der Metrostation ab und wir fuhren gemeinsam dorthin. Im Auto machten wir den Schlachtplan. Ich sagte: „Es hilft nichts mehr reinzuschlagen. Ich werde es auf der Kompromiss Schiene versuchen“. Gesagt getan, eine Stunde später einigten wir uns auf 50/50. Dabei war mir das minimale Entgegenkommen wichtig.

Neuer Tag, neues Glück, oder wie sagt man so schön. Wieder in einem Auto fuhren wir zum Registro Civil, um endlich die Bürokratie zu erledigen. Wieder erwartete uns eine riesige Schlange mit rund 2h Wartezeit. Miguel und die Blabla-Frau winkten ab, dafür hatten sie keine Lust.

Wir fuhren zu einem anderen Amt (davon gibt’s sehr viele). Dort machten sie an diesem Tag nichts mit Autos. Also fuhren wir zum Dritten, dort ging es auch nicht. Die Blabla-Frau war sichtlich entnervt und tippte wie wild auf ihrem Smartphone rum. Auf spanisch erklärte sie, dass eine Freundin von ihr bei einem Notariat arbeitet.

War suboptimal, befreundet zu sein ist bei sowas meist nicht gut. Wir waren darauf angewiesen und stimmten dem Vorschlag dorthin zu fahren zu.

Eigentlich war schon zu diesem Zeitpunkt klar, was sie vorhatten. Es ist nämlich so, dass man die Überschreibung auch beim Notar machen kann anstelle auf dem Registro Civil. Dies ist die viel einfachere und schnellere Option. Aber gleichzeitig auch kostspielig. Um den Konflikt später beim Notar vorzubeugen, erklärte ich mit dem Übersetzer das wir nicht bereit seien alles beim Notar zu machen. Ich erklärte, dass wir den Kaufvertrag (worauf wir bestanden) beim Notar machen aber für den Rest aufs Amt gehen werden.

Eine halbe Stunde später saßen wir an einem Tisch beim Notar. Bevor hier irgendjemand irgendetwas tut, beharrten wir darauf die Kosten dafür zu wissen. Auf einem Fresszettel listeten sie die Gebühren auf: 125 Dollar war der Preis. Wir blockten ab.

Spätestens jetzt waren Miguel und die Blabla-Frau richtig ungehalten. Wir hätten sie beim Notar blamiert und sie würden jetzt mit uns zur Polizei fahren. Diese Standpauke ignorierten wir, viel blöder war die Tatsache, dass sich die Blabla-Frau beim Notar alle Fahrzeugpapiere schnappte. Per Übersetzer bat ich sie mir alles wieder auszuhändigen. Als Antwort kam ein schroffes: NO!

Domi und ich schauten uns an. Wir sitzen auf der Rückbank von zwei wütenden Personen. Nonstop unterhielten sie sich dabei und lachten verlogen. Wir hatten das Geld überwiesen und außer eines verschwommenen Fotos der Banktransaktion gar nichts in den Händen.

Ich versuchte es auf die Versöhnliche Tour. „Wir gehen zurück zum Registro Civil, warten in der Schlange, dafür ist dann alles erledigt“. Auf den Kaufvertrag würden wir verzichten, nur die Überschreibung.

Es folgte ein Wettlauf gegen die Zeit, um 14.00 Uhr war an diesem Tag Schluss auf dem Amt. Kurz vorher fuhren wir vors Gebäude. Durch das Gitter hindurch gestikulierten wir wiederum, was wir wollen. Einer der Herren nickte. YES, Juhuii, dachten wir uns alle.

Nur zwei Personen durften ins Gebäude. Während Domi und Miguel reingingen schauten Blabla-Frau und ich einander feindselig an. Wir waren durch zusammen. Aber ich hoffte das jetzt alles gut wird. Keine 2min später kam Domi zurück. Was war passiert?

Er sagte: „E ging nicht“. Ich traute meinen Ohren nicht. Er meinte weiter: „Mir wurde gesagt, dass ich ein Carnet bräuchte. Das dies als Tourist gar nicht möglich ist, war denen egal“  Das gibt es doch nicht! Wir verstanden die Welt nicht mehr. Unsere allerletzte Chance, um das Auto noch legal auf uns zu überschreiben war ein erneuter Gang zum Notar.

Ihr könnt euch sicher vorstellen was jetzt los war. Zu viert waren wir schon zu weit und zu lange dran, um jetzt aufzugeben. Also machten wir uns zurück auf den Weg zum Notar.

Auf spanisch diskutierten sie, dass sie schon den ganzen Tag für uns aufgeopfert hatten usw. Ich dachte mir nur, dass unsere Zeit ja auch nicht Gratis war. Plötzlich stand Miguel abrupt auf die Bremse. Eigentlich nichts Außergewöhnliches in Chile, jeder fährt, wie er gerade will.

Auf der Straße war aber nichts zu sehen. Vom Fahrersitz aus drehte Miguel den Kopf und meinte: „Jetzt müsst ihr bezahlen fürs Benzin“. Er wäre keinen Meter mehr gefahren, hätten wir nicht 10.000 Pesos geblättert. Wir hörten oftmals, dass es hier immer nur um Geld geht. Das wollten wir nicht recht wahrhaben – Spätestens seit dann stimmen wir dem zu.

Wieder beim Notar angekommen setzten wir uns auf die exakt gleichen Stühle. Außer dem Notar behandelten uns alle sehr abschätzig. Wir blieben freundlich und vor allem hartnäckig bis wir alles hatten, was wir brauchten.

Es war schon fast 16.00 Uhr als wir endlich wieder zurück waren. Wir vier hatten einander nichts mehr zu sagen. Miguel hätte uns wohl nicht mal mehr auf Wiedersehen gesagt. Aus dem Fenster raus verabschiedeten wir uns mit einem „Gracias, Tschau“ und fuhren davon.

Eine Begegnung mit Menschen, die wir hoffentlich nie, nie wieder sehen.

Dieses Erlebnis lernte uns verschiedene Dinge und seither agieren wir anders beim Geschäften. Nicht das wir jetzt niemandem mehr trauen und alles hinterfragen. Aber wir sind aufmerksamer, fragen einmal mehr, wenn uns etwas komisch vorkommt. Bis heute sind wir mit dieser Strategie gut gefahren.

Rückblickend hatte sich alles gelohnt, wir sind unglaublich glücklich mit unserem Auto.

Rebi, Dezember 2022