Autokrimi Teil 1

9. Dezember 2022, im 16ten Stock in einem Appartement Komplex mitten in Santiago de Chile. Während ich online nach selbstklebender Dämmung und einer Kühlbox suchte, klingelte mein Telefon. „Sie wollen noch 60 Dollar mehr Rebi, ich lasse das Auto hier“. Am anderen Ende war ein aufgeregter Domi. Ich begriff schnell, die Situation war nicht gut. Eilig stopfte ich meine Wertsachen, die Subway-Karte und eine Flasche Wasser in meinen Turnbeutel und schon war ich zügig auf dem Weg zur Metrostation. In diesem Blog seid ihr Hautnah mit dabei, wie wir unseren geliebten Peugeot Partner erworben haben. Kleine Vorwarnung, der Text ist etwas lang geworden, so gibt es Teil 1 & Teil 2. Du kannst es dir ja in Häppchen zu Gemüte führen 😊.

Nach unserer Ankunft in Santiago de Chile beantragten wir das RUT (Steuer-Identifikations-Nummer). Anschließend beschäftigten wir uns während zwei Wochen fast ausschließlich mit der Autosuche. Worauf bei einem Kauf zu achten ist und welche Tücken hinter der Ecke lauern können erfährt ihr in einem spezifischen „Autokauf-Blog“ von Domi.

Generell hatten wir uns die Suche nach einem geeigneten Fortbewegungsmittel einfacher vorgestellt. Total besichtigten wir fünf Autos. Dinge wie die Terminvereinbarung, die weiten Distanzen sowie die nicht abstreitbare Sprachbarriere erschwerte den Prozess immens. Manchmal waren wir am Abend so müde und ausgelaugt, dabei hatten wir nur gerade eine Autobesichtigung hinter uns.

Beim Autokauf hatten wir (wie bei vielem 😉) eine saubere Aufgabenteilung. Domi schaute das technische an, dabei war Nicu, sein Bruder eine große Hilfe. Derweil kümmerte ich mich um die „Softfacts“, wenn man dem so sagen kann. Lassen sich die Türen gut schließen, wie ist der Innenraum in Schuss usw. Sofern wir Interesse hatten, konfrontierte Domi dann den Besitzer mit Schwachstellen und ich startete die Verhandlung.

Zum Schluss hatten wir verschiedene Optionen, entschieden uns aber nach gründlicher Überlegung für einen Peugeot Partner. Davon waren noch zwei Modelle im Rennen, die Schiebetür und die 177‘000 km bei dem einen Modell überzeugten uns letztendlich.

Unser Favoriten-Auto war für 4.900.000 Pesos im Chile Autos (ähnlich wie Autoscout bei uns) ausgeschrieben. Kurz zur Währung, sodass man dem Zahlen wirr-warr folgen kann: 1000 Chilenische Pesos entsprechen ca. 1.13 CHF. Das bedeutet, der ausgeschriebene Preis entsprach in etwa 5‘560 CHF. So viel war auch die Forderung des Besitzers. Ich sage immer, der ausgeschriebene Preis ist eine Idee des Gegenübers, quasi ein Wunsch. Wir waren zuversichtlich, dass wir den Preis in unser Budget runter drücken können.

Wir besichtigten das Auto und waren uns sicher, dass wir es kaufen wollten. Miguel, so hieß der Besitzer des Autos wollte mir auf seinem Handy etwas zeigen. Aus Versehen öffnete er sein Facebook und dort sah ich, dass er das Auto für 4.550.000 Pesos ausgeschrieben hatte. Das war wohl der eigentliche Preis, den er sich vorstellte – Das andere war wie gesagt ein utopischer Wunsch.

Nachdem ich kurz überlegte, stieg ich bei 4.150.000 Pesos ein. Miguel schaute mich entsetzt an und antwortete mit NO. Meine Argumente kamen wie aus dem Rohr geschossen und so willigte er relativ schnell ein. Ich spürte den seitlichen Blick von Domi. Shit, mein Preis war zu tief angesetzt gewesen.

Hmm… ein Argument musste her, um den Preis weiter runterzudrücken. Mein Hirn rauchte, plötzlich hatte ich eine Idee. Hinter dem Rücken checkten wir den Umrechnungskurs und ich sagte zu Miguel, dass wir es lieber in Dollar bezahlen würden. Gebrannt von vorher ging ich deutlich unter den vorherigen Preis und warf 4‘300 Dollar in den Raum, was etwa 3.800.000 Pesos entsprach. Das Entsetzen von Miguel verstärkte sich und er fuchtelte wild mit den Armen: „No, No, NO!“, schreite er beinahe. Mein Gefühl sagte mir: Jetzt haben wir die richtige Verhandlungsbasis.

Stur wie tausend Rinder beharrte ich auf 4‘300 Dollar, er stur wie eine Million Esel bewegte, sich nicht von 4’600 Dollar weg.

An diesem Tag fanden wir keinen Konsens mehr. War kein Wunder, wenn zwei sture Böcke aufeinander gerieten. Noch am gleichen Tag, zu später Stunde schrieb mir Miguel via WhatsApp, dass sein aller letzter Preis 4‘560 Dollar sei. Das war das Ende der Fahnenstange. 1‘420 Dollar konnten wir den Preis senken und nun mussten wir entscheiden.

Ich war im Tunnel und nervte mich, dass er den Preis nicht weiter reduzieren wollte. Domi gelang es besser das ganze nüchtern zu betrachten und er hatte Recht. Im Vergleich zu allem, was wir bisher sahen, war das Auto für uns ein super Angebot und auch mechanisch waren wir überzeugt, dass der Peugeot die Geldsumme Wert war.

Am Morgen brauchte noch zwei Nescafé, bis ich nickte. Also gut, lass uns die „Pöschette“ posten gehen sagte ich zu Domi. Sofort schrieb ich Miguel und so vereinbarten wir, dass wir vorbei kommen um es noch einmal kurz zu fahren und dann zu kaufen.

Für den Autokauf nahmen wir Dollar von zuhause mit. Das Geld abheben in Chile ist wie in vielen anderen Länder horrend teuer und sehr limitiert. Mit dem Barzahlen konnten wir noch einmal eine beträchtliche Summe „einsparen“ und brauchten viel weniger Zeit.

Man darf sagen, die Wohngegend von Miguel war nicht die sicherste. Das Geld teilten wir zur Hälfte und verstauten es in unserem Turnbeutel. Auch wenn ich nicht mehr so breitschultrig bin, mein Blick war an diesem Tag noch wachsamer als sonst.

Als uns Miguel das Gartentor öffnete, sahen wir, dass er das Auto noch nicht ausgeladen hatte. Von seiner Arbeit war noch jede Menge Material im Innenraum und wir hatten vereinbart das er das rausräumt. Sich nicht daran zu halten hatte einen faden Beigeschmack. Sein Grund war, dass er unsicher war, ob wir wirklich kommen würden. Er hatte wohl noch nie Geschäfte mit unserer Nation gemacht? Ein Wort ist ein Wort, pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk waren wir dort und absolut entschlossen das Auto zu kaufen.

Ein kleiner Dämpfer war es schon zu merken, dass er uns nicht traute. Aber egal, nun ging es ums Bezahlen und um die Überschreibung des Autos. Normalerweise (Bsp. in der Schweiz) wäre die Sache jetzt gelaufen, weil man meist ein „Urvertrauen“ ins Gegenüber hat oder wir auch anders ticken beim Geschäfte machen. Diese Situation war anders, sozusagen tricky.

Nachdem er sich nicht an die Abmachung hielt das Auto auszuräumen waren wir etwas misstrauisch geworden. Entweder mussten wir zuerst das Geld überweisen, oder sie zuerst die Überschreibung machen. Fast hätte ich es vergessen. Miguel hatte noch eine Frau an seiner Seite. Bis heute wissen wir nicht, inwiefern die beiden zusammengehörten. Zuerst dachten wir es sei seine Freundin, dann meinten wir es sei die Tochter und zum Schluss tippten wir eher auf die Komplizin. Ihr Name blieb uns bis zum Ende verwehrt, ich taufe sie für diesen Blog „Blabla-Frau“. Dies weil sie immer unfassbar viel redete und davon das meiste Nonsens war.

Mit der Blabla-Frau und Miguel mussten wir einen Kompromiss finden. Die beiden meinten, dass wir auf der Bank eine Transaktion machen würden. Die Blabla-Frau war auch allwissend, das hätte man zumindest meinen können aufgrund ihres Verhalten. Sie war im Real Estate und war der festen Überzeugung, dass es als ausländische Touristen gar nicht möglich ist Geld zu überweisen. Also wollte sie zuerst auf die Bank um zu prüfen ob wir „Liquid“ seien.

Wir betonten, dass wir das Geld Bar dabeihatten. Das jemand so viel Geld in der Tasche hatte wollten sie nicht recht glauben und so einigten wir uns auf folgende Lösung: Wir fahren zur Bank, schauen ob wir Liquid sind, gehen dann zur Überschreibung aufs Registro Civil und anschließend wieder zur Bank und wir bezahlen den Betrag.

Umständliche Lösung, aber in diesem Fall war es der einzige Konsens den wir finden konnten. So wenig, wie sie uns trauten, so wenig wollten wir das Geld einfach einzahlen, ohne einen Gegenwert zu haben.

In einem Auto setzten wir den Plan in die Tat um und fuhren los. Die erste Bank war geschlossen, bei der zweiten hatten wir Erfolg. Beim Eingang sahen wir, dass die Bank schon bald schließen würde. Das heißt, dass es zeitlich nicht mehr reichen würde nach der Überschreibung das Geld effektiv zu zahlen. Shit!

Reisen heißt vertrauen. Wir glauben an das Gute im Menschen und sagten, dass wir das Geld hier und jetzt überweisen, wir wollten vorwärts machen. In der Schalterhalle wurden wir in einen Nebenraum zitiert. Die Blabla-Frau schien sichtlich nervös, warum wussten wir nicht.

Gelangweilt chillten Domi und Ich rum, während die Finanzberaterin und die Blabla-Frau angeregt auf Spanisch diskutierten. Immer wieder wendete sie sich an uns und meinte, wir sollen ruhig bleiben. Haha, wir hatten gerade keinen Stress – Warum auch, das Geld hatten wir in unserem Turnbeutel auf der Schoss und bald schon würden wir in unserem Peugeot davon düsen. (Das dachten wir zumindest damals)

Irgendeinmal standen wir auf und gingen zum Schalter. Später erfuhren wir, dass wir in den Nebenraum mussten, weil sie zuerst ein Dollarkonto eröffnen musste. Als wäre es das normalste der Welt nahmen wir unsere Zip-Säckli voller Moneten und gaben es der Bankangestellten. Die Blabla-Frau war überrascht und Miguel schaute von weiter hinten auch gespannt zu.

Für die Einzahlung erhielt die Blabla-Frau ein kleines Papier. Sie wollte es schon einstecken und ich sagte, dass wir ein Foto machen wollen. Darüber war sie erstaunt und ich dachte mir: Hallo gute Frau, immerhin haben wir gerade bisschen was überwiesen. Einen Beweis dafür ist wohl das mindeste.

Die Freude der beiden über das eingezahlte Geld war spürbar. Nun waren wir an der Reihe, wir wollten aufs Registro Civil. Alle Autoüberschreibungen sowie ein groß Teil der restlichen Bürokratie werden dort abgewickelt. Vergleichbar mit einer Schweizer-Gemeinde nur ohne Strukturen.

Dort angekommen war eine große Schlange. Die Blabla-Frau versuchte noch durch das Gitter den Herren vom Amt klarzumachen, dass es dringend sei usw. Wie hätte es anders sein können, ausgerechnet an diesem Tag war um 12.00 Uhr Schluss und wir waren ein paar Minuten zu spät. Blöd gelaufen! Ohne die Überschreibung funktioniert gar nichts, und für diese muss der Vorbesitzer zwingend dabei sein.

Für uns sehr suboptimal, wir hatten keinen Gegenwert für unsere Einzahlung. Die Überschreibung am nächsten Morgen zu machen war auch keine Option, weil ein Feiertag Anstand und alles zu hatte.

Sie schlugen folgende Lösung vor: Wir sollten das Auto mitnehmen und am übernächsten Tag am Morgen treffen wir uns wieder um die Bürokratie abzuschließen. Dem Vorschlag folgte noch eine Einladung, um gemeinsam Mittag zu essen. Das ganze hörte sich für uns gut an und das gemeinsame Essen hatte etwas versöhnliches.

Es gab Spaghetti mit Crevetten und Limonade. Mithilfe des Übersetzers hatten wir einen tollen Austausch und unser misstrauisches Gefühl wich von Minute zu Minute. Wahrscheinlich war das angespannte Verhältnis zu Beginn nur weil es um Geld ging und aufgrund der Sprachbarriere, vermuteten wir.

Glücklich und hochmotiviert fuhren wir noch am gleichen Tag in den Sodimac (Baumarkt) und besorgten Streichmaterialien. Weil wir in dieser Zeit bei Luis von Couchsurfing nächtigten, suchten wir nach einem Ort, wo wir das Auto streichen konnten. Wir wurden auf einem öffentlichen Parkplatz mitten in der Stadt fündig. Man wird flexibler mit der Zeit 😉. Der zweite Anstrich bekam das Auto spätabends in der Tiefgarage. Wahrscheinlich riecht man den Farbgeruch heute noch. Wie der Krimi ausgeht, erfährt ihr im zweiten Teil – eines verrate ich jetzt schon, es kam anders als gedacht.

Rebi, Dezember 2022