Aufbruch in der Schweiz – Eine Reflektion Teil 1

Vor gut zwei Monaten startete Ich gemeinsam mit Domi, auf eine Veloweltreise ohne Enddatum. Im Vorfeld habe ich viel über das „losfahren“ nachgedacht und auch versucht mir vorzustellen, wie es sein wird am Tag X meinem Umfeld Adieu zu sagen. Jetzt versuche ich die Zeit bevor wir losfuhren zu reflektieren. Auch setze ich mich mit der Frage auseinander, ob es die richtige Entscheidung war alles hinter uns zu lassen und zu gehen.

In den letzten Monaten vor der Abreise wurden mir (und sicher auch Domi) viele Fragen gestellt & ich glaube auch, dass es einige Leute gibt, die dachten ich mache einen Witz. Ein Witz deshalb, weil die meisten Menschen schon nur beim Gedanken daran mit dem Velo zu reisen Muskelkater bekommen. Ein paar der Fragen die mir gestellt wurden und die dazugehörigen Antworten möchte ich mit euch teilen. Natürlich habe ich meine Antworten immer ein wenig dem Empfänger angepasst. 😊

Willst du wirklich deinen Job kündigen? Ja, das will ich. Zu Arbeiten macht mir Spass und es erfüllt mich. Ich mag es sehr gebraucht zu werden und etwas sinnvolles mit der Zeit anzufangen. Mein berufliches Motto ist nicht umsonst: Wenn du tust, was du liebst wirst du nie wieder arbeiten. Jedoch gibt es da ein Aber: Seit dem Lehr-Start mit 15 Jahren, war ich mit kleineren Unterbrüchen stetig im Berufsleben tätig. Ein bisschen Abwechslung schadet sicher nicht, erweitert meinen Horizont und Brötchen verdienen kann ich noch mein ganzes Leben.

Hast du nicht Angst, dass du keine Arbeit mehr findest, wenn du zurückkommst? Als Optimist hoffe ich, dass mich wieder jemand einstellt. Falls ich das Glas zu voll sehe, nehme ich Plan B und bewerbe mich als Barista in Italien, eröffne ein Beachclub am Balaton in Ungarn, werde LKW-Fahrerin in Rumänien, Schafhirtin oder Mähdrescher-Fahrerin in der Türkei. Oder vielleicht doch Ballon-Fahrerin in Göreme? Nobody knows.

Ist dies nicht gefährlich? Eine gute und berechtige Frage. Leider hatte ich darauf auch keine klare Antwort. Ich wusste, so wenig wie alle anderen was uns in der Ferne erwarten wird. Klar war für uns immer, dass die eigene Sicherheit sehr Zentral ist. Besonders meinen Eltern habe ich mehrmals gesagt, dass sie uns vertrauen können. Und ich hätte ja Domi dabei, er bringt viel Erfahrung mit. Zugegeben, es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich mir nicht auch einige Gedanken gemacht habe. Zum Beispiel über den dünnen Zeltstoff, welcher uns vor Mensch, Tier und Unwetter schützen soll. Oder über die Warnungen auf der EDA-Webseite. Irgendeinmal hörte ich aber auf mit Googeln und dachte mir, es ist besser sich vor Ort ein Bild zu machen und den gesunden Menschenverstand mitzunehmen.

Wie finanzierst du das? Sobald man unser Heimatland verlässt, wird es günstiger. Im Vorfeld haben wir die Fixkosten in der Schweiz auf ein absolutes Minimum reduziert, dazu war eine Abmeldung auf der Gemeinde nötig. Sobald man abgemeldet ist, kann man sich nicht mehr in der Schweiz Krankenversichern, da haben wir eine Ausland-Lösung. Weiter haben wir unsere Wohnung gekündet. Unser Hab & Gut durften wir bei Domi’s Eltern einstellen, dafür bin ich unglaublich dankbar. Es ist nicht so, dass ich Designer-Möbel besitze. Im Gegenteil, durch den momentanen flexiblen Lifestyle war ich gezwungen mein „Besitz“ zu reduzieren. Auch verfolge ich den Ansatz besser das „alte“ zu verwenden oder aufzufrischen, als immer alles neu zu kaufen. OK, OK ich stoppe hier mal, will ja nicht missionieren 😉. Belastend waren vor allem die Ausrüstungs-Kosten. Dies relativiert sich jedoch, da das Velo, die Taschen sowie das Zelt hoffentlich noch lange Freude bereitet. Die restlichen Kleider werden hart gebraucht und gehen wohl unter die Kategorie „Abschreiber“.
Das Leben unterwegs braucht verhältnismässig wenig Geld, das wussten wir schon von vergangenen Touren. Nebst dem sparsame Velofahrer-Alltag gibt es auch bei uns die Ruhetage oder Zeiten wo wir uns etwas gönnen – Vergleichbar mit Ferien oder einem Wochenend-Ausflug in der Schweiz. Auf dem Bild seht ihr, wie wir jeden cm vom Raum ausnützten. Niemand von unseren Helfern, glaubte, dass wir alles reinbringen. Es war Limit, aber klappte. 😊

Und was machst du, wenn es nicht klappt du und Domi zusammen? Puhh, ja dann fährt einer nach Norden und einer nach Süden. Oder noch eine bessere Idee ist die räumliche Trennung, einer im Vorzelt und der andere in der Schlafkabine. 😉 Wir waren fünf Wochen wandern, absolvierten eine vierwöchige Probetour in Schweden sowie zwei Wochen in der Schweiz, lebten gemeinsam in Domi‘s Kinderzimmer, verweilten zwei Wochen im Camper seiner Grosseltern und teilten uns im letzten halben Jahr eine Wohnung – Wie zwei Normale.
Garantie hat man nie, aber diese Erfahrungen zeigen mir, dass wir auf engem Raum leben können und wollen.

Kleines Zwischen-Fazit (weil dies ein sehr viel gefragtes Thema ist) ob wir einander noch aushalten. Wir sind seit 70 Tagen gemeinsam unterwegs und davon waren wir ca. 2h mehr als 2 Meter voneinander entfernt (ich holte Brötchen oder Domi ging ins Velogeschäft). Die restliche Zeit verbrachten wir ausnahmslos Seite an Seite, lass das einmal auf dich wirken. Möchtest du das auch mit deinem Partner? Ich kann es dir nur empfehlen. Aus meiner Erfahrung wird die Beziehung durch unzählige schöne und aber auch schwierige Momente weiterwachsen und du lernst deinen Liebste/n noch einmal viel tiefgründiger kennen. Aber denke daran, du musst einander wirklich gern haben, weil nach 5 Tagen nicht duschen musst du dir bewusst sein: Auch selbst schmeckt man nicht mehr nach Rosen.

Diese und noch viele andere Fragen standen im Raum. Falls du lieber Leser jetzt noch brennende Fragen hast, rufe uns an oder komm vorbei. Wir sind gerade in Ankara. 😊

Rebi Juli 2022