Alpenpässeweg (Etappe 1-8)

Der Alpenpässeweg führt durch die schönsten und eindrucksvollsten Passübergänge der Bündner und Walliser Alpen. Der gesamte Weg umfasst 34 Etappen, davon wanderten wir die Hälfte also 17. Etappen. Wie kommt man auf die Idee von Chur nach Saas-Fee mit Zelt und Kocher zu wandern?

Für unser Wanderprojekt nahmen wir uns fünf Wochen Zeit. Wir recherchierten vorgängig, welche Fernwanderwege die Schweiz zu bieten hat. Von den sieben bekannten Routen sprach uns der Alpenpässeweg am meisten an, aufgrund der Dauer, der Höhe und der Landschaften. Um alle Etappen zu wandern, hätten die fünf Wochen nicht gereicht. Deshalb suchten wir nach einer guten Kombi, um die Zeit optimal nutzen zu können. Der Bernina-Trek bot sich an und wir entschieden uns den Weg in umgekehrte Richtung zu wandern, sodass der Endpunkt in der Nähe von Chur liegt, also beim Startpunkt vom Alpenpässeweg.

Nachdem wir die letzten Meter vom Bernina-Trek wanderten, suchten wir uns einen Zeltplatz, welcher ruhig und doch nahe am Bahnhof war, weil wir am nächsten Morgen mit dem Zug nach Chur fahren wollten. Gesucht, gefunden. Wunderbares Plätzchen mit Blick auf das verträumte Dorf. In Chur angekommen besuchten wir eine Kollegin von mir. An dieser Stelle grosses Merci an dich Sonja, dass du uns beherbergt hast, obwohl du den „Trekker-Geruch“ wahrscheinlich schon im Treppenhaus gerochen hast. Als Ausflug hat sich Sonja eine Wanderung auf den Hausberg namens Rote-Platte überlegt. Von der Terrassen-Wohnung sahen wir den Berg. Trotz müden Beinen wanderten, nein rannten wir die fast tausend Höhenmeter auf die Platte vor lauter Motivation. Am Abend assen wir mit den WG-Bewohnern von Sonja eine leckere Lasagne. Nun waren wir gestärkt und bereit für den Alpenpässeweg.

Wir liefen also los in Chur Richtung Tamins. Die Etappen führen immer von Dorf zu Dorf resp. es wurde geschaut das man immer eine Unterkunft findet, sofern man diese braucht. Für uns heisst das flexibel planen, weil wir durch das Zelt keine Unterkunft benötigten. Wir waren bereit für unser zweites grosses Abenteuer in der Schweiz. Wir folgen von Chur aus dem Rhein entlang immer weiter auf Teerstrassen und breiten, flachen Schotterpisten. Was ist denn hier los denken wir uns beide, laufen aber trotzdem weiter. Zwei Tage lang geht das so und einen Schlafplatz zu finden ist in dicht besiedelten Gebieten nie leicht. Wir waren verwirrt, vom Bernina-Trek waren wir uns steile Wanderwege und abgelegene Dörfer gewohnt. Irgendwie kommen wir dennoch auf Ilanz und tauchen in das Val Lumnezia ein. Mit jedem Meter, in dem wir mehr in das Tal kommen, wird wie der Wetterbericht schon prophezeite, das Wetter schlechter. In Lumbrein angekommen heisst es rasch innezuhalten und zu überlegen. Domi hat am Morgen noch dem einzigen Warmshower-Host in Vals geschrieben. Dieser liegt nicht genau auf unserem Weg aber mit dem Bus gut erreichbar. Als wir gerade am diskutieren sind, schreibt uns Pius mit folgender Antwort: “Hallo zusammen, leider sind wir momentan nicht zuhause. Ihr findet den Schlüssel zur Wohnung im Wanderschuh, frische Bettanzüge sind auf dem Bett. Leider haben wir nicht mehr so viele Sachen im Kühlschrank. Bitte trinkt einen Kaffee auch für uns, weil wir zurzeit keinen mit euch trinken können. Fühlt euch wie zuhause und wenn Fragen sind, so schreibt uns”. Überwältigt von dieser Gastfreundschaft, vergehen keine 10min und wir sitzen im Bus nach Vals.

Nun sassen wir auf einer weichen Couch in einer fremden Wohnung und machen was alle Trekker an Ruhetagen und bei miesem Wetter machen. Wir waschen unsere Kleider, füllen unsere Energie-Speicher mit gutem Essen und trinken literweise Kaffee. Merci Domi für die unzähligen Cappuccinos welche du mir zubereitet hast. Nach drei Tagen Schneefall und Regen verlassen wir Vals dankbar und erholt. Selbstverständlich haben wir die Wohnung geputzt, die Kaffeekapseln aufgefüllt und alles so hinterlassen wie wir es vorgefunden haben. Wir gehen wieder nach Lumbrein und weiter gehts auf dem Alpenpässeweg.

Nun geht es richtig steil hoch zum Passo del Diesrut. Die Bäche der Umgebung führen viel Wasser und irgendwie sieht es oben am Pass weiss aus. Finden wir wirklich Schnee im August? Durch feuchte Weiden und neugierigen Kühen hindurch schlängelt sich der Pfad brachial den Berg hinauf. Im oberen Teil standen wir dann wirklich im Schnee – Und das im August. Von oben herab sehen wir das erste Mal die imposante Greina Hochebene.

Die Greina ist eine der grössten Hochebenen der Schweiz und gehört zu den wenigen noch naturbelassenen zusammenhängenden Gegenden der Schweiz. Aus diesem Grund wurde die Greina Ebene als Schutzzone ins Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler der Schweiz von nationaler Bedeutung aufgenommen. Die Ebene ist ungefähr sechs Kilometer lang und einen Kilometer breit und liegt auf 2200 m.ü.M. Der Greinapass verbindet Graubünden im Osten und das Tessin im Westen.

Wunderschön und doch ein wenig kalt zeigt sich die Ebene. Wir hatten keinen Stress und machen noch einen kleinen Abstecher in die Camona da Terri. Der Weg führt über eine neue angelegte Hängebrücke. Ich habe ein wenig Respekt davor über die Brücke zu gehen, das Überqueren klappt aber dann doch leichter als gedacht. Zelten ist auf der gesamten Hochebene verboten und es kündigen sich erneut Regen und heftige Winde an. In solchen Situationen gibt es zwei Varianten. Entweder man stoppt und sucht sich eine sichere Unterkunft oder man versucht dem Wetter ein wenig davonzulaufen. Für uns kam nur die zweite Variante in Frage. Wir waren frisch erholt und gefühlt konnte uns nichts stoppen. Wir wanderten (vielleicht ein wenig zügiger als sonst) über die Greina, genossen die Landschaft und der Wind blies uns durch die Trekkermähnen. Bei der Capanna Scaletta angekommen, hatten wir uns einen Vorsprung auf das bevorstehende Wetter geschafft. Weil wir in der Regel nicht in Hütten übernachteten, tranken wir in fast jeder Hütte etwas. So auch in dieser Hütte, nach einer kurzen Cola und einigen besorgten Worte der Hüttenwartin später standen wir wieder draussen und nahmen den Abstieg Richtung Olivone unter die Stöcke. Und wie es bei solchen Aktionen meistens kommt, hat es uns beim steilen Abstieg verregnet. Nicht lange dafür heftig. Bei einer überdachten Bushaltestelle bauten wir das Zelt auf. Mein Hubba Hubba durfte diese Nacht mit dem starken Wind einiges aushalten und hatte seine erste Feuerprobe. Sehr besorgt über die Stabilität dieses Ultra-Leicht Zelts gingen wir nach einem langen Tag schlafen. Mir war kalt! Nicht nur so ein wenig frisch oder so, nein so richtig fest kalt. Mit dem Wind und dem Regen hatte es stark abgekühlt. Domi hat in dieser Nacht sogar seinen angewärmten Schlafsack geopfert und meinen für ihn viel zu kleinen mit Daunenjacken zu einer längeren Version umgebaut. Eine Bettflasche und einen Tee später versuchte ich irgendwie zu schlafen. Nach einer der kältesten und unruhigsten Nächte kam am Morgen dann die Sonne hervor. Was für ein Glück!

Nach diesen kalt-nassen Tagen wärmte die Tessiner Sonne die Täler auf und das gab uns neue Motivation. Von Olivone über Dôtra bis nach Acquacalda geschah nicht wirklich viel besonderes. Wir konnten uns wieder auf das Wandern konzentrieren und das sonnige Wetter geniessen. Der Paso del Sole hatte es aber dann nochmals in sich. Der Aufstieg wollte gefühlt nie enden und dann schien die Passlücke zu guter Letzt auch noch tausend Kilometern entfernt zu sein. Nicht gerade das tollste Gefühl. Da die Optionen beschränkt waren, blieb uns wohl nichts anders übrig als: «Gring achä u Hüü».

In der Corno Gries Hütte hatten wir uns für heute Abend einen Platz reserviert. Die Etappe von Airolo in die Hütte ist lang und hat viele Höhenmeter zu erklimmen, durch die gebuchte Übernachtung konnten wir uns einige Kilo an Verpflegung sparen. Wie immer, wenn man ein Tagesziel hat, wehrt sich der Ort ein wenig. Das erreichen wird dann aus unerklärlichen Gründen schwieriger. Leicht erhöht von der Nufenen Passstrasse führte unser Weg immer weiter zur Hütte rauf die wie ein Alpenraumschiff aussah. Einige Kurven und Steintreppen später kamen wir bei der Hütte an. Bei einem feinen Znacht mit Bier und Unterhaltungen über die Architektur der Hütte und spannenden Jobs ging der Tag zu Ende.

Merci Domi hast du so gut zu mir geschaut. Mit dir zusammen bemerkte ich wie wunderbar das Draussen-sein ist. Diese Wanderung war eine der schönsten Erfahrungen in meinem bisherigen Leben – Danke warst du ein Teil davon, auf weitere grosse Abenteuer gemeinsam.

Rebi, Sommer 2020