Auf den Dächern von Teheran

Wir sind zwar schon ein paar Tage im Iran, stehen aber gefühlt immer noch am Anfang unseres Iran-Abenteuers. In Täbris hatten wir für drei Nächte ein Hostel. Dies bot zwar etwas mehr Privatsphäre, jedoch kapselten wir uns so auch etwas ab. Ganz Treu nach meinem Motto: „Mittendrin statt nur dabei“ überlegten wir uns, wie wir zu einer neuen Location kommen. Wir hörten, dass Coachsurfing ein grosses Ding sei. Also lud ich die App runter, zahlte die paar Franken und begann mit der Suche.

Einige Minuten später schickte ich die erste Anfrage an Simin und Hamed. Ein paar Tee’s später kam die Antwort, wir dürfen vorbeikommen. Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk klingelten wir um 16.00 Uhr. Hamed empfing uns mit Tee und Glace. Bei den beiden fühlten wir uns sofort pudel-wohl.

Am Abend kochten sie sogar noch ein vegetarisches iranisches Gericht. Nach all dem trockenen Reis war das ein Gaumenschmaus. Wir füllten ordentlich unsere Speicher für den nächsten Tag, wir wollten nämlich eine Trainings-Wanderung unternehmen.

Unser Ziel war es den Tochal mit einer Höhe von 3‘965m zu besteigen. Dies ist der „Hausberg“ von Teheran. Reintheoretisch würde eine Gondel fahren, welche die bequemen Leute bis knapp unter den Gipfel bringt. Für uns war dies keine Option, resp. wollten wir nur für eine der sieben Stationen die Gondel nutzen. Den Rest wollten wir zu Fuss bewältigen. Einerseits um zu schauen, wie die Körper in der Höhe reagieren und anderseits wollten wir in der Höhe übernachten um uns anzuklimatisieren.

Wahrscheinlich denkst du jetzt, warum zur Hölle machen wir das? Wandern wo eine Seilbahn fährt, dass macht man als normaler Mensch nicht. Dafür gibt es zwei plausible Antworten. Einerseits weil wandern einfach grossartig ist und anderseits, weil wir in den kommenden Tagen den Damavand (höchster Berg vom Iran) wandern möchten. Dies ohne Guide und deshalb mussten wir testen, ob die Ausrüstung in den Rucksack geht und ob das Gewicht überhaupt noch zumutbar ist.

Es ist schon eine Weile her, seit wir das letzte Mal trekken gingen. Nach einem üppigen Frühstück packten wir unsere Rucksäcke. Domi trickste beim Beladen etwas, er gab mir weniger Gewicht. Als ich intervenierte meinte er nur: „Du bist ja nur eine Halbe-Portion“. Haha, trotzdem will ich meinen Beitrag zum Allgemein-Wohl leisten!

Um an die Talstation zu gelangen, nutzten wir „Snapp“. Ein Fahrdienst-App, welches normalerweise nur die Iraner nutzen 😉. Die Fahrt dauerte fast eine Stunde, der Verkehr war an diesem Morgen wieder einmal verrückt.

Zu Fuss führte der Weg dann noch etwa 20 min bis zur Seilbahnstation. Wir waren froh, dass alles nur auf Persisch angeschrieben war und niemand Englisch sprach. Ironie Off. Wir schafften es dennoch ein Ticket für je 3 CHF zu lösen, um in die zweite Station zu kommen. Dies ersparte uns einige Höhenmeter und einen nicht so reizvollen Weg.

Die Gondelfahrt war alles andere als vertrauenserregend. Bei jedem Masten hoffte ich, dass die Gondel nicht aus der Schiene fällt und ich war froh, als wir im Stations-Haus ankamen.

Da waren wir nun also, Domi mit dem schweren Zelt, wo sich die Leute wohl wunderten was in diesem grünen Beutel ist und ich in Vollmontur inkl. Hijab.

Die ersten Schritte fühlten sich harzig an. Die Bein-Belastung beim Trekken ist eine andere als beim pedalen. Aber schon nach wenigen hundert Metern kam ich in den Flow. Schritt für Schritt kamen wir vorwärts und erreichten am Mittag Station fünf, eigentlich war das schon unser Tagesziel.

Während wir unser gewicht-optimiertes Mittagessen verspeisten entschieden wir heute noch weiter zu gehen.

Wir hatten nicht zu viel dabei, leider half ich heute nicht teilen.

Weitergehen bedeutete gleichzeitig, dass wir sicherlich bis zur Station sieben gehen mussten, weil es nur dort Wasser gab. Auf der Höhe von ca. 3‘500m merkte ich wie mein Herz schneller schlug.

Domi wanderte etwas hinter mir, er musste in dieser Höhe auch etwas langsamer gehen, weil er Kopfschmerzen hatte. Als wir die Station erreichten war ich verwirrt. Wir haben mehrmals gehört, dass es dort ein Hotel gibt und Wasser. Das Einzige was ich sah waren Arbeiter die Holz zerschlugen und Feuer machten. Das ganze wirkte fast unheimlich auf mich.

Auf Holzbrettern balancierten wir bis zur Toilette und füllten dort unser Trinkwasser-Reserven. Plötzlich kam ein Mann und gestikulierte wild. Er wollte uns zu verstehen geben, dass dies kein Trinkwasser sei und wir beim Hotel auffüllen sollten.

Junge, Junge.. Das Hotel liegt nicht am Weg. Er bemerkte unseren Unmut und zeigte in eine andere Richtung. Wir folgten ihm und er nahm eine grosse Flasche aus einem Schuppen. Es war zwar kein Deckel drauf, aber wird schon OK sein. Dankbar füllten wir unsere Behälter auf.

Der 4l Wassersack kam bei mir on-top auf den Rucksack, die zusätzliche Beinbelastung war spürbar. Domi wollte direkt bei der Station schlafen und nicht mehr weiter. Wenn es nach mir gegangen wäre, so wären wir bis auf den Gipfel. Wir fanden einen Kompromiss und stellten das Zelt etwa 100 Meter unter dem Gipfel-Schelter.

Zum Abendessen hatten wir eine Dose Linsen und eine Dose Bohnen dabei. Wir testeten Mal ohne Kocher auszurücken, stellten aber fest das wir für den Damavand den Kocher besser mitnehmen und der Pasta treu bleiben.

Am Abend wurde es richtig kalt. Ich hatte alles an, was ich dabeihatte. Nicht einmal zwei Buff’s eine Kappe und das Stirnband darüber wärmten mich genügend.

Also schlüpfte ich schon um 18.30 Uhr in den Schlafsack und schnürte alles zu. Domi hat mir noch seine Daunenjacke über die Füsse gelegt und danach weiss ich nichts mehr.

Ich gönnte mir einen 12-Stunden-Nuck, ganz normal, oder? In der Nacht musste ich noch ein paar Mal pinkeln und füllte noch Wasser vom Wassersack in die Flasche, weil mein Liebling fast verdursten wollte.

Am Morgen liessen wir das Zelt stehen und assen vor dem Eingang das Frühstück.

Wir hatten Haferflocken dabei, welche wir mit kaltem Wasser übergossen. Die Banane dazu rettete den matschigen Geschmack leider auch nicht.

Egal, wir sind ja wegen dem trekken da und nicht für einen Brunch à la Zauggs mit frischgebackener Züpfe.. Käse.. Oder im Gut gelaunt, oder sonst wo wo es lecker schmecker essen gibt…oh, ich verliere gerade den Faden. Sorry! Als Trost füge ich ein paar Bilder ein 😉

Sehr langsam nahmen wir die letzten 100 Meter bis auf den Gipfel unter die Füsse. Oben angekommen windete es sehr stark und wir waren froh im Schelter kurz an der „Hiubi“ zu sein. Nach einem kurzen Schwatz mit anderen Frühen-Vögel und einige Fotos später gingen wir wieder runter.

Leider war das Zelt noch nass, also mussten wir es so einpacken. Der Abstieg ging zügig. Damit wir uns am nächsten Tag noch bewegen können, entschieden wir ab Station fünf die Gondel zurück zu nehmen. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Bei der Station angelangt sahen wir sehr viele Leute. Es war besser als Kino, also setzten wir uns mit einem Tee auf eine Mauer und beobachteten die Leute.

Einige posierten für Fotos, als hätten sie den Mount-Everest bestiegen. Andere fielen durch Überzieh Schuhe auf, die man nicht einmal für den Damavand braucht. Und bei wiederum anderen waren wir skeptisch, ob sie nicht doch ein wenig unterpowert sind mit Turnschuhen.

Je tiefer wir mit der Gondel fuhren je heisser wurde es. Mit 40 Grad empfing uns Teheran wieder.

Weil das Frühstück schon verpufft war, suchten wir wie hungrige Tiger nach Nahrung. Ausser einer Packung Chips und einem Getränk fanden wir nichts, worauf wir Lust hatten.

So assen wir auf dem Parkplatz glücklich aus der Chips-Packung und stellten fest, dass wir das nächste Mal keine Ketchup-Sorte wählen. Auch die Rückfahrt zum Appartement via Snapp funktionierte einwandfrei und so waren wir etwas nach dem Mittag zurück bei Simin und Hamed.

Die beiden waren im Putzfieber, sie wollten nämlich übers Wochenende in den Norden fahren. Wir beschlossen uns eine Pasta zu holen, um nicht weiter zu stören. Wir geben zu, die Situation war schon etwas skurril, als wir uns von den beiden verabschiedeten und in ihrer Wohnung blieben. Aber zu einer Wohnung haben wir noch nie nein gesagt. Den Rest des Tages ruhten wir uns aus und gegen Abend ging ich noch einkaufen. Wir wollten uns mit Wraps belohnen. In der Schweiz ganz einfach, Fladen, Gemüse, Stärkebeilage und fertig. Hier eine echte Herausforderung, da es die Zutaten nicht in einem Geschäft gibt. Um das minimale Einzukaufen, musste ich in drei verschiede Läden, zum Gemüse-Händler und noch offen Linsen holen. Es lohnte sich aber.

Die nächsten Tage machten wir Sightseeing und bereiteten uns auf die bevorstehende Damavand Wanderung vor.

Rebi August 2022