Wildzelten ist eine eigene Disziplin

Im Alltag ist das Zuhause immer am gleichen Ort. Man fährt von der Arbeit heim, kocht & ruht sich aus – Alles in seinen gewohnten vier Wänden. Auf unserer Reise übernachten wir jeden Abend an einem anderen Ort. Für mich etwas Wunderbares und Herausforderndes zugleich. Gerne erzähle ich euch, wie das im Moment (also noch in Europa) abläuft.

Vor Jahren sammelte ich erste Erfahrungen im Wildzelten bei einem Roadtrip durch Kanada. Man darf aber sagen, dass ich erst in der Hardcore-Wildzeltler-Szene bin, seit ich Domi kenne. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen auf Wiesen, im Unterholz, auf Wasser-Reservaten, hinter Scheunen, in Gärten oder in öffentlichen Pärken zu zelten. Durch gemeinsame Wanderungen in der Schweiz und unsere letztjährige Probetour in Schweden sammelte ich schon viele Erfahrungen, die jetzt wertvoll sind. Man darf nie vergessen, dass die Suche nach einer Bleibe genauso Team-Arbeit ist wie alles andere auf unserer Reise. Domi und Ich hatten und haben auch schon Diskussionen deswegen. Ich würde mir mittlerweile das Basis-Level-Zertifikat geben. Domi besitzt aus meiner Sicht das Expert-Level, zusammen haben wir bis jetzt noch immer ein Plätzchen für unser Zelt gefunden.

Die Schlafplatz-Suche hat eine gewisse Routine, dennoch ist es jeden Tag verschieden. Immer gleich ist, dass wir vorher einkaufen fürs Abendessen und Frühstück. Optimal haben wir auch alle Flaschen (Total 6l) aufgefüllt. So haben wir genügend Wasser zum trinken, kochen & abwaschen. Manchmal sind diese Sachen simpel, da es ein Geschäft und eine Wasserquelle in der Nähe hat. Immer öfters gestaltet sich die Wasser-Suche schwieriger, da es im Gegensatz zur Schweiz nicht mehr an jeder Ecke einen Brunnen hat.

Der Zeitpunkt der Schlafplatz-Suche definieren wir jeden Tag neu. Unzählige Faktoren beeinflussen die Zeit:

  • Wie viele km sind wir schon gefahren resp. wie viele wollen wir noch fahren
  • Wie ist die Landschaft: viel Grün, stark oder schwach besiedelt, See, Flüsse usw.
  • Wie ist das Wetter: Kommt ein Gewitter, wie sind die Temperaturen Nachts
  • Ist das Zelt noch nass von letzter Nacht und muss trocknen

In Schweden gilt das Jedermanns-Recht, sprich Zelten ist fast überall toleriert. In den meisten anderen Ländern, die wir passierten oder noch bereisen werden ist es entweder offiziell verboten oder eine sehr dunkel-graue Zone.

In der Schweiz zelteten wir oft bei Landwirten. Meistens ging ich fragen und erklärte unser Anliegen. Dies formuliere ich meist so: „Sälüü, wir kommen von X und fahren Richtung Osten. Wir sind auf der Suche nach einem Platz, wo wir unser Zelt für eine Nacht aufbauen dürften. Wir hinterlassen keinen Dreck, machen kein Feuer und sind normale Leute“. Spätestens wenn ich den Trumpf aus dem Ärmel hole und erwähne das meine Eltern auch einen Landwirtschaftsbetrieb besitzen ist das Eis gebrochen. Wir hatten ein paar sehr nette Begegnungen und ein Vorteil war, dass fast jeder Betrieb über eine Stall-Toilette verfügt, 😉.

Im Südtirol und in Österreich verfolgten wir die „Landwirten-Taktik“ weiter. Es wurde aber schwieriger, weil die Betriebe zerstreuter lagen und manchmal wenig, bis keine arrondierte Fläche hatten. In den Weingebieten waren die hohen Zäune um die Betriebe auffallend.

Wenn man ein Problem damit hat auf Leute zuzugehen, ist man glaube ich nicht so geeignet, um wild zu zelten. Es ist immer ein Pokern, ob man jemanden fragen will oder nicht. Mittlerweile haben wir ein „geschultes Auge“ 😉, am Anfang unserer Reise waren wir noch ein wenig blind. So passierte es uns zum Beispiel, einmal, dass wir bei einem auf den ersten Blick „normalen Betrieb“ fragten. Wir merkten erst während dem Hallo sagen, dass der Betrieb ein Riesenghetto war. Es war zu spät, wir konnten nicht mehr davon. Weil wir bis dahin kein Wasser fanden, fragten wir noch danach. Er holte aus einer Scheune wo die Tiere bis zu den Knien in Scheisse standen einen Gartenschlauch. Heraus kam Wasser, das offensichtlich nicht trinkbar war.

An einem anderen Tag fuhren an der Drau entlang und wollte eigentlich nicht fragen, sondern das Zelt an den Fluss stellen und fertig. Wir bemerkten aber, dass dies wohl nicht möglich sein wird, weil sehr viele Radfahrer unterwegs sind. Vom Radweg sah ich jemanden im Garten und Hühner. Mein Instinkt: Leute die Hühner haben sind toll, Let’s go. Ein Mann war am Rasenmähen und sagte zuerst, dass wir auch am Silbersee zelten können. Dort wollten wir aber lieber nicht, weil viel Volk unterwegs war. Er meinte das die Polizei mehrmals am Tag vorbei fährt und es ein Problem sein könnte, wenn wir in seinem Garten zelten. Ohne etwas zu sagen, dachten Domi und Ich: Aber doch nicht in diesem Kaff kommt die Polizei. Domi sagte dann, „Sie könnten ja auch mit Ihren Grosskindern im Garten zelten. Es ist ihr Grundstück, sie dürfen machen was sie wollen.“ Er stimmte zu und so suchten wir eine ebene Stelle. Nach einer kurzen Diskussion in welche Richtung wir den Eingang wollen, stellten wir das Zelt auf. Es hat Regen gemeldet, Domi machte die Zeltinneneinrichtung und ich startete mit kochen. Der Mann (heißt übrigens Markus) wunderte sich wahrscheinlich schon ein wenig ab uns, innert 10 min stand ein Zelt, zwei Matten, der Kocher rauchte und schon aßen wir Spätzle. Es ist noch zu sagen, dass die Polizei tatsächlich durchfuhr, sie hielten aber natürlich nicht an.

Etwas später kam Markus, dann seine Tochter und später noch die Frau zu uns, um Hallo zu sagen. Sie fragten, ob wir etwas bräuchten: Etwas zu trinken, Strom oder sonst was. Wir lehnten dankend ab, uns fehlte es an nichts. 😊 Als sie die Hühner-Tür schlossen kamen sie erneut und machten das Angebot am Morgen gemeinsam zu frühstücken. Jaaaa. Frühstück… da sagen wir nie Nein 😉. Wir freuten uns riesig über die Einladung und träumten von Croissant und Orangensaft. Mir war es beim Gedanken an einen Tisch zu sitzen nicht wohl, da wir schon fünf Tage nicht geduscht haben und stanken.

Wir duschten zur Feier des Tages am morgen. Die Familie war richtig süß, sie haben eine riesige Auswahl an Leckereien aufgetischt. Wir haben uns schon fast unverschämt die Bäuche vollvollgeschlagen, aber ich glaube, dass sie damit gerechnet haben, es war nämlich viel Menge vorhanden 😉 Wir tauschten uns aus, erzählten einander von unserem Leben und verabschiedeten uns später mit einem „hoffentlich bis bald“.

In Slowenien startete die Sprach-Barriere und wir verständigen uns ab sofort mit Händen und Füssen. Ich liebe die Begegnungen mit Menschen, und könnte ewig von all den spannenden Momenten erzählen.

Ah, da kommt mir noch gerade einmal in den Sinn, als wir bei jemanden in Ungarn auf die Toilette durften. Ich lief durch die Küche und kam direkt in die Garage. Ein Auto stand mir entgegen, bevor ich den Durchgang ins Wohnzimmer nahm wo die Toilette war. Die Priorität der Raumaufteilung wurde untypisch gemacht, aber fürs Einkaufen sicher praktisch.

Es würde den Rahmen sprengen jeden Schlafplatz detailliert zu beschreiben. Die Fotos geben euch einen kleinen Einblick, wo wir bis jetzt übernachteten. Ich bin für jede Bleibe dankbar und freue mich auf alles was kommt, je weiter östlich wir reisen.

Rebi Mai 2022