Die Weltbeste Pizza & das zurückkommen
Wenn du den Blog „Hej Hej Europa“ gelesen hast, weisst du das wir am 19. Juli 2023 in Stockholm gelandet sind. Nach einer dreistündigen Busfahrt kamen wir bei Domis Eltern in Mittelschweden an. Das wir genau an diesen Ort zurückkehrten, wo wir im vergangenen November eine Reisepause einlegten war kein Zufall. Dazu später mehr. Heute erzähle ich dir vom ersten Tag zurück im Westen. Wie es sich anfühlte das Wasser direkt vom Hahnen zu trinken, wie verwirrt wir mit dem Toilettenpapier in den Händen auf der Schüssel saßen und welche Gefühle uns nach Ankunft begleiteten. All das, noch mehr und eine Erklärung für das Pizza Bild gibt’s im heutigen Text. Viel Spaß beim Lesen.
Das Leben ist planbar und irgendwie doch nicht. Wir können uns zwar gedanklich auf bevorstehendes vorbereiten und am Ende ist es doch immer anders, so erlebe ich es zumindest. Genau so war es mit den Gefühlen welche sich in den Vordergrund stehen werden, sobald wir wieder auf europäischem Boden stehen. Quasi ein Blick in die Glaskugel, unmöglich vorherzusehen. Darauf hat nicht einmal Google eine gescheite Antwort. Auch Alexa, Siri und die ganze Truppe kann da nicht weiterhelfen.
Im Lead Text konntest du lesen, dass wir Schweden nicht grundlos auswählten, um die ersten Tage zu verbringen. Die Tatsache, dass sich unsere Fahrräder dort befanden, spielte eine untergeordnete Rolle. Für alle Neu Leser gebe ich gerne eine kurze Erklärung: Als wir letztes Jahr im Iran beschlossen haben das Fortbewegungsmittel zu wechseln wollten wir die Räder nachhause senden. Die Iranische Post verweigerte den Versand in die Schweiz und nur Schweden war damals möglich. Deshalb überwinterten Ferrari und Panzer im Holzschuppen von Zauggs und warteten brav, bis wir aus Südamerika zurück waren.
Wenn es also nicht die Fahrräder waren, was war es dann was uns als erste Destination Schweden auswählen ließ?
Uns war es bei der ersten „Anlaufstelle“ wichtig an einen für uns bekannten Ort zu gehen, wo nicht viel Hektik herrscht. Ein Platz, fernab von einem Hamsterrad, wo es uns ermöglicht das erlebte einzuordnen und uns auf das bevorstehende wieder vorzubereiten. Quasi ein Umschlageplatz der vertraut sein sollte. In Belse, bei Domis Eltern fanden wir nicht nur das, sondern auch noch gute Zuhörer, eine saubere Infrastruktur (ja das gewann an Wichtigkeit) und viel Natur und Ruhe.
Diese Aspekte sind nicht von ungefähr für uns. Unsere Rückkehr/Heimkehr, wie man ihm auch immer sagen möchte ist für mich nicht dasselbe wie, wenn ich von ein paar schönen Ferienwochen zurück bin. Zum Beispiel erinnere ich mich noch ganz genau wie es damals war, als ich nach einer monatigen Reise durch Südostasien zurückkam. Feierlich öffnete ich den Kühlschrank, noch bei meinen Eltern, und erfreute mich an der kalten frischen Milch und den vielen Joghurts. Dem Käse…Auch genoss ich die Hausmannskost, die mich vor Schärfe nicht weinen ließ. Aber schon nach ein paar Stunden und Tagen hatte ich mich wieder an alle Annehmlichkeiten gewöhnt. Spätestens als das Jetlag vollständig abgeklungen war, war ich wieder im Rhythmus und das erlebte wurde zu Erinnerungen. Bei dieser Reise und sogar als ich für drei Monate in Kanada war, bei dieser Abwesenheitsdauer war mir vieles, wenn nicht alles noch präsent im Schweizer-Ländli. Das Grün des Waldes, die Schönheit der Stockhornbergkette, wie viel das Glas Konfi in der Schweiz kostet, nichts war wegradiert. Gefühlt war ich nur kurz weg manchen Bekannten fiel das nicht einmal auf.
Verstehe mich bitte richtig. Jede bisher erlebte Reise war toll – Darum geht es gar nicht. Ob drei Tage im Schwarzwald, zwei Wochen in Norwegen, wandernd in Schottland, am Strand in Mallorca… jedes Mal nahm ich wieder etwas mit. Sah neue Dinge, die mich inspirierten. Aber die Zeiträume wo ich weg war, wo ich kurz den Alltagsmantel abstreifte, einen schnellen Tapetenwechsel machte, die haben mich nicht so bewegt resp. haben sie mir nicht das Gefühl gegeben das ich mich jetzt speziell auf die Rückkehr vorbereiten müsste.
Seit wir losradelten sind fast anderthalb Jahre vergangen. Wahrscheinlich ist es eine Kombination von der Dauer, den verschiedenen Kulturen und all den Eindrücken die wir erleben durften, die uns bewegen dem wiedernachhause besondere Beachtung zu schenken. Voller Dankbarkeit und Ehrfurcht schauen wir auf die Zeit zurück.
In 16 Monaten passierte viel. Mal abgesehen von den über 20ig bereisten Ländern, den bald knappen 10‘000 Velokilometer und über 30‘000 tausend Autokilometern, den unzähligen Wanderungen und und und. Hat es auch sonst viel mit uns gemacht. Jeder persönlich wuchs an den Herausforderungen, das gesehene änderte teilweise die Sichtweise auf Dinge und letztendlich ist unsere Beziehung auf einem ganz anderen Level – ein wahnsinnig schöner Nebeneffekt.
All diese Dinge haben es verdient, dass sie in „Ehre“ gehalten werden und wir nicht durch einen Querstart vieles einfach zurücklassen, als wäre es nicht erlebt worden.
Mit Schweden haben wir also für uns den perfekten Ort gefunden der uns dieser Rahmen bietet. Was ich dazu noch sagen muss… Ein klein bisschen müssen wir uns natürlich auch erst wieder an die normale Zivilisation gewöhnen. Uns wieder mit alltäglichen Themen auseinandersetzen, die in der Vergangenheit an Wichtigkeit verloren haben.
Spätestens als wir Europa verließen stoppten wir unseren Nachrichtenkonsum. Das bedeutet, dass wir vieles nicht mehr mitbekommen haben. Push-Nachrichten, traurige News und was die Medienwelt einem sonst um die Ohren haut tauschten wir gegen den Wetterbericht und die lokalen Gespräche.
Auch viele andere Dinge denen wir uns widmeten sind im normalen Alltag atypisch. Oder wann hast du zuletzt nach einer öffentlichen Dusche Ausschau gehalten? Oder bei einem wildfremden Haus geklopft, um zu fragen, ob du vom Gartenschlauch Wasser in dein Bidon füllen darfst? 25-Mal versucht ein Wifi zu hacken bei einer Tankstelle, weil du dringend etwas nachschauen musst? Überlegt wie du dein Abendessen zubereiten kannst in einer Pfanne?
Wir haben nicht vergessen, dass diese Dinge nicht der Norm entsprechen und doch braucht es einige Tage um sich wieder an die Annehmlichkeiten zu gewöhnen. Zum Beispiel den puren Luxus das wir das Toilettenpapier einfach in die Kloschüssel werfen können. So hygienisch, so einfach. In Südamerika sind die Rohre sehr schmal und deshalb muss man das Papier in einen Mülleimer werfen. An dieser Stelle verzichte ich auf Bilder wie das teilweise aussah. Aber auch daran mussten wir uns erst gewöhnen.
Für die ersten Tage resp. Für den Zeitraum zwischen Rückflug und wieder Aufbruch mit den Rädern haben wir eine „To Do Liste“ geschrieben. Haha, ja da sind wir wieder – Die Planungstiger 😉
Krass strenge Tage standen uns bevor, oder? 😉 Und weil wir schon bald wieder aufs Velo wollten und wir die Annehmlichkeiten einer Küche schon noch schätzen schrieben wir auch eine Essensliste. Ob wir diese im Hunger geschrieben haben oder nicht, wissen wir nicht mehr.
Nun gibt’s noch einen kleinen Einblick in unser erstes Festmahl. Mehr durch Zufall war Domis Bruder, Nicu und seine Freundin auch gerade zu Besuch und so standen ein paar Tage alle zusammen auf dem Programm. Es war schon nach acht Uhr abends als wir zum Haus abbogen. Auch wenn die Sonne gerade ihre Schicht beendete, war es dank dem schwedischen Sommer immer noch hell. Vielleicht lag es auch daran, dass alle über alle sieben Backen strahlten. Hach, Abschiede sind traurig, Wiedersehen dafür umso schöner.
Die Eltern von Domi waren zwischenzeitlich richtig fleißig gewesen und so bestaunten wir all die Veränderungen im und ums Haus. Das Highlight war natürlich der gerade fertig gewordene Pizzaofen, der eingeweiht werden wollte.
Die erste Reizüberflutung beim Pizzabelegen stand bevor. Noch vorher gingen wir ins Haus, standen beide beim Spülbecken und füllten das Glas mit Wasser von der eigenen Quelle. Es ist seeeehr lange her, seit ich das letzte Mal aus einem Glas getrunken habe das ich zuvor aus einem Schrank nahm. Ob Kaffee, Tee, Wasser, Magnesium, Wein, für alles hatten wir unsere Email-Tasse. Dieses richtig leckere Wasser nun in einem sauberen Glas zu trinken war ein Highlight für sich.
Rückblickend gesehen ist es wahnsinnig wie viele Liter Wasser wir in Südamerika tranken die nicht schmeckten. Das Wasser hier war so rein, ohne Chlorgeruch. Es war kühl und nicht warm. Es schmeckte besser als auch alles gekaufte Wasser in den letzten Monaten. Eine krasse Erkenntnis, dass viele Menschen niemals in den Genuss kommen, werden solches Wasser zu trinken. Wir kriegten uns fast nicht mehr ein, mussten aber unseren Spülbecken-Platz freigebe, weil der Pizzaofen schon fast 300 Grad zeigte und es höchste Zeit war die Pizza zu belegen.
Für alle war es Premiere und so war es ein Experimentieren wie die Pizza am besten gelingen wird. Das Endresultat war mir ehrlich gesagt nicht so wichtig, vielmehr war ich gerührt und auch überfordert von all den Zutaten, die bereitstanden. Mal abgesehen von der schönen Präsentation war die Vielfalt unglaublich. Auf dem Bild sieht man nur ein Teil 😉
In Südamerika konnten wir zwar auch vieles kaufen. Es fiel uns aber gar nicht mehr so auf, dass es schon einiges gab das nicht verfügbar war. Oder letztendlich auch wollte, weil die über durchschnittlich exponentiell teuer waren.
Einige Dinge waren aber auch dort, die ich schon fast zwei Jahre nicht mehr gegessen habe. Zum Beispiel Spargeln. Dann bekommt so ein eigentlich unauffällig grüner Stängel eine ganz andere Bedeutung und bevor ich mich versah, habe ich schon zwei gegessen, einfach so. Nicht einmal heimlich, wahrscheinlich fragten sich die anderen Pizzabeleger ab meinem unangepassten Verhalten.
Domi tat es mir gleich und griff unauffällig zum Schafskäse. Das ist auch so etwas, was es zwar zu kaufen gab – ah ja dieser Fall gibt es auch noch – Es aber geschmacklich nicht das war, was es versprach.
Die Pizza schmeckte hervorragend. An der Technik, wie sich die Pizza am besten von der Unterlage löst müssen wir aber noch ein bisschen arbeiten. Da Domi und Ich noch ein paar Tage in Belse sein werden haben wir uns freiwillig zur Verfügung gestellt noch einmal Pizza zu machen. Großzügig von uns, nicht wahr? 😉
Mit ein bisschen Abstand, ein paar Tage später, kann ich mit Sicherheit sagen das unsere Entscheidung goldrichtig war und uns der Platz genau das gab was für uns zu diesem Zeitpunkt wichtig war. Dafür sind wir sehr dankbar und freuen uns auf die zwei Wochen Ferien die vor uns liegen. Ob wir es geschafft haben Herr und Meister zu werden über unsere krassen To Do Listen? Mal schauen 😉
Rebi, wie immer spät dran mit schreiben, September 2023