Die Türkei zwischen Tradition und Freiheit

Ich schwitze und schwitze und ich komme kaum nach, genug Wasser in mich hinein zu schütten. Der Velocomputer zeigt 43 Grad und heute geht es das erste Mal nur darum von Tankstelle zu Tankstelle zu fahren und eine Glace nach dem andern zu essen. Bei der Schlafplatzsuche kommt dann alles anders als erwartet.

Der Morgen startet ganz normal wie fast immer. Ich räume die Sachen im Zelt zusammen, und Rebi macht das Porridge klar. Heute komme ich ein wenig schwer aus dem Zelt. Rebi ist immer direkt nach dem Wecker einigermassen wach. Ich dagegen brauche meine zehn Minuten um in die Gänge zu kommen. Alle Sachen sind auf den Rädern verstaut und um kurz nach halb acht geht es los.

Die Sonne scheint um die Wette und nur mit Sonnencreme komme ich nicht mehr hinterher und verbrenne mich leicht. Auch die fünf Liter Wasser und einige Dosen Sprite helfen nur noch bedingt gegen die Hitze. Immer wieder machen wir eine Pause am Schatten und zwingen uns zu trinken. So langsam wird mir bewusst, das Fahrradfahren bei diesen Temperaturen echt anstrengend und für den Körper langsam so an das Limit kommt. Auf dem Fahrrad, passiert heute nicht so viel. Es ist fast schon ein wenig langweilig. Am Abend tanken wir noch Wasser bei einer Tankstelle. Da ist richtig was los. Heute ist Opferfest in der Türkei und alle Leute wollen noch Benzin und wohl zu Ihren Familien.

Bei einem Schattenplatz, der gut für unser Zelt aussieht, steht ein älterer Herr und Rebi fragt ihn, ob wir das Zelt aufstellen können in seiner Baumplantage. Er antwortet ob Sie denn kein Deutsch spreche? Doch klar und keine zwei Minuten später, stehen wir in seinem Garten und dürfen dort unter einem grossen Fruchtbaum das Zelt aufbauen. Erschöpft von Radfahren und happy so einen tollen Schlafplatz gefunden zu haben, haben wir uns kurz ausgeruht und haben dann noch was zu trinken geholt bei der Tankstelle. Heute haben alle Läden zu wegen des Opferfestes. Als wir zurückgekommen sind, hat der Sohn von dem älteren Herrn schon ungeduldig auf uns gewartet. Er freute sich richtig über unseren Besuch. Oktay spricht fliessend Deutsch und ist in Österreich gross geworden, bevor er sich vor acht Jahren wieder entschieden hat, in die Türkei zurückzukehren und hier sein Leben zu leben. Gerade als ich den Kocher anwerfen will, sagt Oktay wir sollen doch gleich bei Ihnen essen und die Mutter habe extra gekocht. Die Leckereien werden aufgetischt: Pasta mit Naturjoghurt und Knoblauch, frisch gebackenes Brot, Wassermelone, Baklava, Sarma (gefüllte Weinblätter) Oliven und so weiter. Das Essen ist ausgezeichnet und schmeckt mir so fest, dass ich mich kaum zurückhalten kann. Und da die Sarma Fleisch drin hat, bekomme ich dank Rebi eine doppelte Portion der Köstlichkeiten.

Gut genährt oder besser gesagt überfressen, bringt die Mutter von Oktay dann noch einmal mehr der selbst gemachten Baklava und natürlich Tee. So sitzen wir zusammen am Tisch und diskutieren über so viele Themen die Türkei und das Leben in der Schweiz und Österreich und bei einem Thema werde ich ein wenig stutzig. Die Eltern haben für Ihn eine Frau gefunden und möchten das Sie heiraten. Und er möchte das auch auf den traditionellen Weg machen. Das fasziniert mich und im gleichen Atemzug bringt mich das zum Nachdenken. In meiner Wahrnehmung, habe ich immer gedacht, dass diese Ansicht der arrangierten Ehe etwas ist, das in sehr konservativen Familien gelebt wird. Doch die Familie von Oktay hat sich in Österreich ein Leben aufgebaut und die westlichen Dinge alle erlebt und mitbekommen. Deshalb bin ich wirklich überrascht das so zu hören. Merke aber durch das sehr lange Gespräch das es ein Herzenswunsch ist von Ihm. Dann ist es für mich auch schön diese Seite mitzuerleben. Meine Ansicht ist es nicht geworden, aber dazu gelernt das es diese auch mit westlichen Einfluss immer noch gibt ist sehr spannend zu wissen.

Ich merke sehr schnell, das es ein Katze ist die sich selbst in den Schwanz beisst, als mir Oktay beim Bier dann noch erklärt, wie es ist nach so langer Zeit wieder in die Türkei zu kommen. In Österreich ist die Diskriminierung der Türken immer noch stark vorhanden, trotz Jahrzenten der Anwesenheit im Land. In der Schule als scheiss Türke abgestempelt und auch bei der Arbeit eher verachtet, hat er sich immer mit gleichgesinnten getroffen und sich einen türkischen Freundeskreis in Österreich aufgebaut. Und nach dem grossen Schritt in die Türkei zurück zu kehren, ist er hier nicht mehr als Türke akzeptiert, sondern wird von seinen Landsleuten als reicher Europäer angesehen. Und das heisst er war in Österreich nie Zuhause und nun in der Türkei irgendwie auch nicht. Das macht mich traurig und nachdenklich. Auch das finden einer Arbeit gestaltet sich schwierig, denn in der Türkei sind Beziehungen und Kuhhandel an der Tagesordnung um Jobs zu bekommen. Da geht Oktay also ganz schön unten durch, bis er jetzt einen tollen Job bei einem Onlinesupportunternehmen gefunden hat, mit dem er zufrieden ist und erfüllt wirkt.

Nach all dem eher nachdenklichen Geschriebenen merke ich aber dann doch, das er sich mit diesem neuen Job, wieder an Zukunftspläne heranwagt und die positive Energie ist von dem neu gewonnen Freund in der Türkei bewundernswert.

Danke Oktay für die tollen Zeit zusammen und die schönen Gespräche über die Türkei, deine Denke und das gute Bier. Bis auf bald mal in der Schweiz.

Domi Juli 2022